Rezension

Wie lange kannst du dich vor dir selbst verstecken?

Scherbenmädchen - Liz Coley

Scherbenmädchen
von Liz Coley

Bewertet mit 5 Sternen

Vor circa drei Jahren verschwand Angie im Alter von 13 Jahren spurlos. Als sie wieder auftaucht, hat sie ganz viele Narben, von deren Herkunft sie aber nichts weiß. Alles scheint wie ausgelöscht. Aber schnell merkt sie, dass verschiedene Teilpersönlichkeiten in ihr leben, z. B. der Engel und die Pfadfinderin. Sie alle hüten ein Teil ihres Geheimnisses, welches Angie niemals in seiner Ganzheit erfahren darf, denn daran würde sie zerbrechen.

Mein Interesse für Psychologie ist sehr groß, weshalb ich diesem Buch allgemein erst skeptisch gegenüber stand. Ich fürchtete, dass eine psychische Krankheit hier zu Unterhaltungszwecken ausgeschlachtet werden könnte.
Als ich dann aber sah, dass eine Diplom-Psychologin bei der Übersetzung geholfen hatte, wusste ich, dass es hier wohl nicht an Tiefsinn fehlen dürfte und das war dann auch glücklicherweise der Fall.

Der Schwerpunkt sind hier die dissoziativen Störungen, welche gut umgesetzt wurden. Sowohl die Symptome als auch die Entstehung dieser wird gut behandelt und gibt einen guten Einblick in die Krankheit. Es wird auf wissenschaftliche Weise erklärt und auch die Therapie wird genauer erläutert, auch wenn diese zum Teil fiktiv ist. Dazu äußert sich die Autorin aber in einem bewegenden Nachwort noch genauer.
Trotz der wissenschaftlichen Erklärungen hat man nie das Gefühl, eine Abhandlung zu lesen, sondern kann es dennoch gut in einem Rutsch lesen, was ich aber dennoch nicht tat, weil ich diese Geschichte einfach voll auskosten wollte. Immer wieder zwang ich mich, eine Pause zu machen, um all die Informationen aufzusagen, die dieses Buch liefert. Ganz nebenbei lernt man so viel über die Psyche eines Menschen, auch ich, die sich schon recht viel damit beschäftigt.
Dieses Buch genießt man am besten in kleinen Happen, einfach, weil es so eine besondere Geschichte ist, deren Vollkommenheit man am besten durch viel Reflexion erkennt.

Angie gegenüber hatte ich keine eindeutige Meinung, was ja auch eigentlich selbstverständlich ist, wenn man bedenkt, dass sie mehrere Persönlichkeiten in sich vereinigt. Die Entwicklung von ihr ist aber dennoch enorm, da sie auch immer mehr lernt, mit der Krankheit umzugehen. Aber nicht nur an ihrer Entwicklung nimmt man teil, sondern auch der ihres Umfeldes.

Viele Probleme werden in diesem Buch angesprochen, die einen auch selbst zum Nachdenken anregen. Diese Geschichte kann einen einfach nicht kalt lassen, weil man viel zu sehr in das Leid dieses Mädchens hineingezogen wird und nicht glauben kann, dass sie in der Lage war, dass so gut zu verdrängen und auf diese Weise zu überleben.

Alles in allem ist es ein faszinierendes Buch, welches dem Leser die dissoziativen Störungen näher bringt und ihn dafür sensibilisiert. Die Charaktere, vor allem die der Protagonistin, sind eindrucksvoll geschildert. Auch wenn man verzweifelt nach Oberflächlichkeit suchte, fände man keine, da alles genau im richtigen Maße detailliert beschrieben wird.
Ich bin begeistert! Hoffentlich wird man noch viel von dieser Autorin lesen können!