Rezension

"Wie vermisst man einen Menschen?"

Geschichte eines Kindes -

Geschichte eines Kindes
von Anna Kim

Bewertet mit 4 Sternen

Eine junge Frau bringt ein Kind zur Welt und ist davon überzeugt, dass sie es nicht behalten möchte. Also wird es zur Adoption freigegeben. So weit, so gut. Allerdings sehen die Verantwortlichen ein Problem, da der Säugling nicht dem gängigen Aussehen entspricht. Er gilt als „mittelbreitnasig“ (ja, diesen Begriff gab es damals) und das bedeutet, dass der Erzeuger ein „Schwarzer“ sein muss.

 

„Wie vermisst man einen Menschen?“ Unglaublich, dass diese Frage im Jahr 1953 obere Priorität hatte. Wer als alleinstehende Mutter sein Kind nicht abtreiben, sondern zur Adoption freigeben wollte, der durfte keinen Mischling entbinden. Da waren sich die Sozialarbeiter einig. Kein Ehepaar will ein Baby adoptieren, welches „Negerblut“ in den Adern hat. Für uns heute nicht vorstellbar, damals aber leider normal.

 

Der kleine Junge wurde immer wieder genauestens untersucht und vermessen. Also unter anderem der Abstand zwischen den Augen, die Breite der Nase und jene seiner Lippen. Und trotzdem konnte kein Experte mit Bestimmtheit sagen, dass es sich um einen Mischling handelt. Nur die Identität des Erzeugers würde für Klarheit sorgen.

 

„Geschichte eines Kindes“ ist die fiktive Erzählung einer österreichischen Schriftstellerin. Im Jahr 2013 reist sie in die USA. Ihr Name ist Franziska und sie bezieht ein Zimmer bei Frau Joan Truttman. Die beiden kommen sich näher und Frau Truttman wird mutig. Sie fragt, wie es sich anfühlt, als einzige Asiatin unter „Weißen“ zu leben. Franziska ist selbstbewusst und weiß darauf eine passende Antwort. Jedoch, wie mag es für den kleinen Daniel gewesen sein? Als „Mischling“ geboren zu sein?

 

Die Autorin verwebt sehr gekonnt ihre eigene Geschichte mit jener, die vor vielen Jahren ihren Anfang nahm. Ist es tatsächlich heute leichter, wenn das Aussehen nicht dem eines „Weißen“ entspricht? Ich denke nicht. Sehr abstoßend empfand ich diese unsäglichen Untersuchungen des Säuglings, die in dem Buch sehr glaubhaft dargestellt wurden. Ich empfehle das Buch allen, die bereit sind, sich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen.