Rezension

Wie wir lebten, als wir wussten, uns bleibt nur noch ein Jahr

Bis auf den letzten Schritt - Iris Lieser

Bis auf den letzten Schritt
von Iris Lieser

Bewertet mit 3 Sternen

Als ich das Buch zur Hand nahm, ging ich davon aus, ich werde erfahren, dass der Job gekündigt wurde, welche außergewöhnlichen Reisen unternommen wurden,  welche Träume sich erfüllt wurden. Es ging jedoch wesentlich tiefer. Iris Lieser beschreibt den Alltag, das Leben, das trotz der todbringenden Krankheit ihres Mannes weitergeht. 

Wir erfahren von ihrer ersten Vorahnung in der Kirche an Heilig Abend, an dem sie eine unerklärliche Panikattacke bekommt und von den fast unmerklichen Verhaltensänderungen ihres Mannes im Vorfeld der Diagnose. Sie ist so dankbar über das Glück, das ihr im Leben zufliegt, dass sie es nicht in Betracht zieht, dass sich etwas ändern könnte. Ihr Mann will sich nicht mit seinem sich  verschlechternden Zustand und seinen Schmerzen befassen aus Angst vor dem, was sein könnte. 

Als der Befund feststeht, ändert sich ihr Leben schlagartig. Iris Lieser schildert ein Jahr voll mit Ängsten, Hoffnungen und Unsicherheiten. Ihre Zerrissenheit erfahren wir in den Dialogen mit ihrem Gewissen, das als innere Stimme mit ihr spricht. So schwerwiegend die Situation ist, können wir auch teilhaben an der Liebe, die der Familie Kraft gibt und an der Unterstützung durch die Familie und Freunde, die eine Erleichterung und für alle ein Segen ist. 

Iris Lieser wurde von Ihrem Chef ermuntert, ein Buch über ihre Geschichte zu schreiben. Wie geht man an so ein Projekt heran, wenn man selbst betroffen ist? Ich bin froh, dass sich mir diese Frage nicht stellt. Ich wüsste auch nicht, ob ich fähig wäre, all das in einen lesbaren Text zu bringen. Wurde es eine Erzählung, ein Roman, ein Bericht? Ich bin mir noch unschlüssig, ob mein Mitgefühl aufgrund der Tatsache der schlimmen Lebensumstände da ist oder noch durch die Erzählweise vertieft wurde. Zurück bleibe ich auch mit einer Unsicherheit, wann ich einem Betroffenen oder Angehörigen dieses Buch empfehlen kann. Während des Stadiums der Erkrankung oder an die Hinterbliebenen? Auf jeden Fall macht das Buch nachdenklich und dankbar.