Rezension

Willkommen im Aller-Leine-Tal

Aller-Wolf -

Aller-Wolf
von Bettina Reimann

Bewertet mit 5 Sternen

Flora Kamphausen ist zu Besuch auf dem idyllisch am Waldrand gelegenen Gutshof ihrer Eltern, die dort ein Restaurant betreiben. Sie gönnt sich in ihrer Heimat eine Auszeit von ihrer Hannoveraner Studenten-WG.

Die junge Frau führt neben ihrem Studium und ihrer Arbeit als freie Mitarbeiterin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung einen Newsblog. Aber die Sache mit der Selbständigkeit im Onlinejournalismus ist komplizierter als sie es vorstellt hat, denn ihr Blog www.aller-lei-online.de, mit dem sie über und für das ländliche Aller-Leine-Tal berichtet, bekommt nicht genügend Zugriffe, was wahrscheinlich daran liegt, dass in der weitläufigen Landschaft zwischen Schwarmstedt, Nienburg, Walsrode und den südlichen Ausläufern der Lüneburger Heide nichts Spektakuläres passiert.

Doch das ändert sich, als jemand telefonisch nach Floras Tante Helene Blume fragt. Diese soll nach ihrer Scheidung im Jahr 2015 ins Ausland verzogen sein, und seitdem existiert es von ihr kein wirkliches Lebenszeichen. Die Anruferin, Katrin Harms, sucht nach ihrer verschwundenen Mutter, Vivian, die 2013 vom Joggen nicht zurückkehrte. Das Interessante: Helene und Vivian waren zu Schulzeiten Freundinnen. Und es stellt sich heraus, dass auch die Dritte im Bunde – Corinna Stadler – seit 2014 vermisst wird.

Ist den Frauen, die einst als Beauty, Smarty uns Sporty ein unzertrennliches Trio bildeten, etwas zugestoßen?

Flora begibt sich auf die Suche und beginnt mit Hilfe ihres Großvaters Carsten, eines ehemaligen Kriminalhauptkommissars, der als Pensionär inzwischen seine Kraft in die Ahnenforschung steckt, und ihrer Mutter Anna den Verbleib der Frauen zu ergründen. Was nicht ohne Ergebnis bleibt.

Allerdings verfolgt nicht nur die Ermittlerfamilie die Spuren. Auch der „Aller-Wolf“ hat Witterung aufgenommen und legt sich auf die Lauer ...

 

Es gibt wirklich schöne Landstriche in Deutschland, die eine Entdeckung und Erkundung wert sind. Auch wenn dort gemordet wird.

„Aller-Wolf“ ist ein Beispiel dafür, ein gelungenes noch dazu. Bettina Reimann präsentiert uns in ihrem Regionalkrimi mit anschaulichen und detailgenauen Beschreibungen ihre niedersächsische Heimat und das zum Teil auf besondere Weise, nämlich beim sogenannten Geochaching. Nicht nur die Beschäftigung mit dem Suchspiel, bei dem mittels Smartphone oder GPS-Gerät in einem unbekannten Gelände ein Cache, quasi ein „Schatz“ gefunden werden muss, erweist sich als hilfreich bei der Recherche zum Verbleib von drei verschwundenen Frauen.

Für die Ermittlungsarbeit hat sich die Autorin mit den Kamphausens eine Familie ausgesucht, bei der es ihr ausgezeichnet gelingt, für die drei Protagonisten aus drei Generationen von Anfang Sympathie zu wecken. Enkelin und Bloggerin Flora, ihre Mutter und Restaurantchefin Anna und Großvater Carsten, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, agieren Hand in Hand, und jeder trägt auf seine Art dazu bei, das Rätsel um den Aller-Wolf zu lösen.

Das Krimidebüt von Bettina Reimann ist im Wesentlichen ruhig erzählt und wohltuend unblutig und kommt ohne große Grausamkeit aus, obwohl es natürlich tödliche Ereignisse beinhaltet. Die Autorin offenbart menschliche Abgründe, die durch das Versagen Einzelner über Jahre hinweg andauern, nicht überwunden werden und zu Verletzungen führen, die sich dann „entladen“.

In diesem Zusammenhang punktet sie mit einem Wechselspiel aus Gegenwart und Vergangenheit, die Einblicke in die Handlungen und in die Seele des Täters und mithin seine Motivation gestatten. Zugleich legt sie wiederholt neue Spuren, erhöht hierdurch den Spannungsbogen und weckt den Wunsch, das Geschehen und die Ursachen zu ergründen. Bis zum folgerichtigen Ende ...