Rezension

Wirklich charmante Geschichte.

Frau Schick räumt auf - Ellen Jacobi

Frau Schick räumt auf
von Ellen Jacobi

Bewertet mit 5 Sternen

Frau Schick beschließt, den Jakobsweg zu gehen. Natürlich kann sie das in ihrem doch schon fortgeschrittenen Alter nicht mehr vollständigen tun, also bucht sie eine Reise mit Reiseführer, um zumindest Strecken des Wegs zu absolvieren. Begleitet wird sie dabei von ihrem Chauffeur Herberger, den sie jedoch lieber Wohlfahrt nennt, nach seinem Vornamen, was für sie schöner klingt. Außerdem ist da die Reisegruppe, angefangen mit Bettina, einer Krankenschwester, sowie zwei Ehepaaren und natürlich der Reiseleiter, der aussieht wie Jesus. Als Frau Schick dann noch Nelly einsammelt, die eigentlich einen wundervollen Typen angeln wollte und sich plötzlich mitten im Nirgendwo alleine ohne Koffer, dafür mit einem paar traumhaften sowie unpraktischen Pumps und einem verdreckten Kostüm vorfindet, ist das Chaos vorprogrammiert.

Frau Schick ist in vielen Dingen eine typische Preußin, oft hat sie mich an meine vielen Großtanten erinnert in ihrer Handlungsweise. Tatsächlich sind viele meiner Tanten tatsächlich nach außen hin ein bisschen bissig und wirken hart, haben aber einen unglaublich weichen Kern. Es gibt noch mehr, aber das werde ich jetzt nicht alles aufzählen ;) Ich mag Frau Schick. Sie hatte kein leichtes Leben, hat sich aber dennoch durchgebissen und schon während ihrer Flucht Großartiges geleistet. Und ihr Faible für Schlitzohren fand ich absolut zauberhaft. Frau Schick ist ein echtes Original, mit sehr interessanten Ansichten und schrägen Ideen. Ihr ruppiger Charakter tut das Übrige und ich war hin und weg.
Auch Herberger... oder soll ich eher Wohlfahrt sagen? Auch er ist ein spannender Charakter, seine kleinen Streitereien mit Frau Schick, ob es nun wegen des Laufens oder auch wegen Nelly ist, sorgen immer wieder für die amüsantesten Momente. Ganz besonders toll wurde es immer dann, wenn er klein beigeben musste und durch einen von Frau Schicks Tricks reingelegt wurde. Die Tatsache, wie er Frau Schick immer mehr mag und sie mehr und mehr schätzt, fand ich einfach rührend. Sie schlich sich in sein Herz, das wirkte sehr authentisch. Doch zugleich hat Herberger auch ein kleines Geheimnis, das sich vergrößert, als die beiden auf Frau Schicks Reisegruppe treffen. 
Und dann ist da noch Nelly: ein Unglücksrabe, wie er im Buche steht. Der erste Mann war selbstsüchtig und sie kam nicht drüber weg. Jetzt hat sie Javier kennen gelernt, Spanier, Sohn eines Weingutbesitzers und verdammt gut aussehend. Doch auch das endet erst in einem kleinen und dann in einem großen Drama. Mal abgesehen davon, dass sie dauernd ihre beste Freundin im Kopf hört und ihre Tochter sich langsam abnabelt und lieber zu ihrem Papa möchte. Da tut es ihr ganz gut, dass Frau Schick sich ihrer annimmt und sie für das Übersetzen von Bibelpassagen aus dem Spanischen bezahlt.

Ich mag hier jeden einzelnen Charakter. Und die Entwicklung dieser auch. Gerade Frau Schicks Weg ist mit dem Verarbeiten von etwas verbunden und das ist einfach unglaublich schön dargestellt. Wut, Trauer, Erinnerung, Angst, alles ist dabei und es passt einfach.
Die Geschichte an sich ist natürlich keine sonderlich hochtrabende oder komplizierte, doch sie hat ihren ganz eigenen Charme, der auch zum Großteil durch die großartigen Charaktere entsteht. Sogar jeder Nebencharakter ist liebevoll entworfen und eingebracht.

Fazit

Eine charmante Geschichte über eine alte Dame, ihren Chauffeur, einer absoluten Verliererin sowie eine bunte Reisegruppe, die auf dem Jakobsweg so einiges mitmachen und erleben. Dabei gibt es doch immer wieder überraschende Wendungen und Erkenntnisse. Immer wieder musste ich herzhaft Lachen, weil die Charaktere so eigen und in ihrem Zusammentreffen amüsant sind.