Rezension

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wühlt auf und macht nachdenklich

Über den Tellerrand - Gudrun Riefer

Über den Tellerrand
von Gudrun Riefer

Bewertet mit 5 Sternen

Eva wächst in einer Familie auf, die sie Tag für Tag fertig macht. Der Vater hat ein Unternehmen aufgebaut, welches Eva eines Tages übernehmen soll. Und dennoch bekommt sie immer und immer wieder gesagt, wie dumm sie doch eigentlich ist. Von der Mutter, der Oma, dem Bruder und der Vater lacht sie nur aus. Eva ist außerdem eine Nutte, so wird sie beschimpft. Doch Eva wird nicht nur mit Worten gequält, es sind auch die Taten der Eltern. So darf sie nur alte Kleidung tragen. Entsprechend wird sie auch in der Schule gemobbt, denn eigentlich hat die Familie ja Geld - Es kann also nur an Eva liegen....

Die Geschichte wird aus der Sicht von Eva erzählt und schnell wird klar, dass schon die kleine Eva merkt, dass sie nicht dumm ist und dass ihr Unrecht getan wird. Doch was kann ein junges Mädchen schon tun, wenn die ganze Familie sie klein hält und sie so ausbremst. Eigene Träume darf Eva nicht haben, denn sie kann ja eigentlich auch nichts. Eva muss sich viele schlimme Dinge von ihrer Familie gefallen lassen und als Leser "darf" man an ihren eigenen Gedanken dazu teilhaben und ich musste so manches Mal schlucken. Auf der einen Seite, wie das junge Mädchen das alles versucht zu verstehen und wegzustecken, auf der anderen Seite, wie die eigene Familie nur so grausam sein kann. Mit diesem Buch wurde für mich wieder einmal deutlich, wie schwer auch psychischer Missbrauch (und nichts anderes ist das für mich) einer Kinderseele weh tun kann.

Die Autorin hat einen Schreibstil gewählt, der geradeheraus ist, ich fand keine Beschönigungen oder ähnliches. Viel mehr gab es immer wieder Wiederholungen von "du bist dumm" und über das höhnische Lachen des Vaters. Ich fand dies besonders eindrücklich, weil man als Leser schon auf die nächste absurde Situation wartet, wo genau dies wieder zu lesen ist. Diese beiden Dinge brennen sich in das Gehirn des Lesers ein, wie mag es dann nur Eva ergehen?

Neben den Eltern spielt auch die Schule eine große Rolle in Evas Leben, denn dort wird sie auch gemobbt. Eva hat Geld, warum dann also alte Klamotten und fettige Haare? Vermutlich würde sich jeder diese Frage stellen, aber wenn wir doch mal über den Tellerrand schauen, dann können die Gründe vielfältig sein. Das Buch regte mich dazu an weiterhin auch über den Tellerrand zu blicken, mit vorschnellen Urteilen vorsichtig zu sein und vor allem: mit den Menschen zu reden!

Ich habe dieses Buch -auch aufgrund des flüssigen Schreibstils - verschlungen, wenn ich auch immer mal wieder eine Pause brauchte. Ein wichtiges Thema, welches sehr gut umgesetzt wurde. Still und langsam, aber doch auch stark, kraftvoll und temporeich. Ich bin begeistert und sage: Danke!