Rezension

Wunderbar

Fräulein Anna, Gerichtsmedizin (Die Gerichtsärztin 2) -

Fräulein Anna, Gerichtsmedizin (Die Gerichtsärztin 2)
von Petra Aicher

Bewertet mit 5 Sternen

Der neue Roman von Petra Aicher setzt die Erlebnisse eines ungleichen Ermittler-Duos vor dem Hintergrund des frühen 20. Jahrhunderts fort. Anna Zech, mittlerweile gut etablierte Assistentin am gerichtsmedizinischen Institut in München und Freiherr Friedrich von Weynand, verarmter aber reich verheirateter bayrischer Adeliger bzw. sein Alter Ego, Klatschreporter Fritz Nachtwey, geraten erneut in einen spannenden Krimi.
Als zu Beginn des 1. Weltkriegs im Münchner Künstlerviertel Schwabing erst ein totes Neugeborenes und etwas später eine schwangere junge Frau tot aufgefunden werden, machen sich Anna, inzwischen gut in ihrem Leben in der Großstadt etabliert, und der immer noch unglücklich verheiratete, sein Doppelleben führende Friedrich daran, diese scheinbar zusammenhanglosen Fälle aufzudecken. Sie stoßen dabei auf Geschehnisse, die nicht nur ein mehr als schlechtes Bild des Umgangs mit den damals als Verbrecher geltenden queeren Menschen werfen, sie enthüllen auch die tragischen und verblüffenden Hintergründe eines Selbstmordes.
Auch das Privatleben der beiden Protagonisten kommt nicht zu kurz und bietet wieder wunderbare Einblicke in die damalige Klassengesellschaft, kommen Anna und Friedrich doch aus völlig verschiedenen Kreisen. Trotzdem vertieft sich die Freundschaft, die den gängigen Konventionen widerspricht. Und dann ist da auch noch Anna's jüngere, bei ihr lebende Schwester, deren Besuch einer höheren Mädchenschule von einer Freundin Friedrichs gesponsert wird, die dem „biedermeierlichen" Verhalten ihrer Schwester wenig abzugewinnen vermag…
Dies alles schildert die Autorin sehr kenntnisreich, mit leisem Humor und bildhafter Sprache, so dass man wunderbar mitten in's Geschehen eintauchen kann. Solide Fakten und anschauliche Beschreibungen mit leichten Ausflügen in münchner Mundart lassen den Leser teilhaben an der Entwicklung einer unkonventionellen Freundschaft, die trotz aller Gegensätze Bestand hat. Dabei entsteht wie nebenbei ein faszinierendes Sittenbild des frühen 20. Jahrhunderts, mit allen menschlichem Höhen und Tiefen, verbunden mit einer sehr spannenden Kriminalgeschichte.
Diese sehr gelungene Mischung aus Historie und Krimi ist uneingeschränkt empfehlenswert!