Rezension

Wunderbare Biografie!

Schloss aus Glas
von Jeannette Walls

Bewertet mit 5 Sternen

Gerade erst hat mich Tara Westovers "Befreit" begeistert und jetzt kommt direkt wieder eine Biografie daher, die mindestens ebenso gelungen ist!

Jeannette und ihre zwei - später drei - Geschwister wachsen teilweise im Auto auf. Ihre Eltern sind immer unterwegs, immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer oder auf der Flucht vor Mietschulden. Jeannette liebt dieses wilde Leben. Sie liebt die Erkundungstouren in die Wüste, die Tiere die sie begleiten und liebt es, unter freiem Himmel zu schlafen. Sie ist frei. Doch je älter sie wird, desto schwerer fällt es ihr, all das als Abenteuer zu sehen. Sind doch Hunger und Wurzellosigkeit große Teile dieses freien Lebens.

Jeannettes Mutter will ausschließlich Künstlerin sein. Ihre Kinder überlässt sie größtenteils sich selbst, arbeiten gehen soll ihr Mann. Doch auch wenn der ein geschickter Elektriker ist und sich vor allen Dingen selbst sehr gut über Wert verkaufen kann, kann er die Finger einfach nicht vom Alkohol lassen. So ist er mal ein wundervoller Vater, mal bringt der Schnaps seine schlechtesten Seiten zum Vorschein.

Es hat mich sehr beeindruckt, wie Jeannette Walls das ambivalente Verhältnis zu ihrer Kindheit und besonders zu ihrem Vater beschreibt. Mal war man berührt von der Liebe dieses Mannes zu seinen Kindern, von seinen liebevollen und kreativen Ideen; dann war man wieder abgestoßen von seiner Sorglosigkeit, seiner Angeberei, dem Suff.

Auch war es großartig beschrieben, wie die Geschwister langsam merken, dass ihre Eltern nicht die tollen Abenteurer sind, für die sie sich ausgeben. Wie sie mehr und mehr Verantwortung übernehmen müssen, wie sie unter Hunger, Kälte und Ausgrenzung leiden, weil ihre Eltern ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen. Und natürlich, wie sie sich Schritt für Schritt voneinander entfernen, hinaus in ein eigenes Leben.

Das war auch das traurigste an dieser Geschichte: Wie diese Familie, die so viel miteinander erlebt hat, sich immer weiter voneinander entfernt. Wie es für die Kinder immer unerträglicher wird und ihre Eltern einfach nicht in der Lage oder gewillt sind, etwas am ihrem Leben zu ändern. Ich habe mich über ihre Verantwortungslosigkeit aufgeregt aber Jeannette ebenso beneidet um ihr "Schloss aus Glas", um die schönen Momente, um das kleine Stückchen Freiheit das sie hatte umd um ihre Kraft, all das hinter sich zu lassen.

Jeannette Walls ist eine reflektierte wie berührende Autobiografie gelungen. Ich bin ihr ausgesprochen gerne gefolgt umd bewundere es, wie sie gute und schlechte Erlebnisse nachvollziehbar und äußerst bildhaft beschreibt. Eine wunderbare Biografie.