Rezension

Zauberhaft geschrieben, aber für mich etwas zu einfach gestrickt

Agathe
von Anne Cathrine Bomann

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein schön gemachtes kleines Büchlein, mit einen sprachlich zauberhaften Geschichte über Einsamkeit und den Mut zu Veränderung. Mir war es allerdings ein bisschen zu einfach gestrickt, was mich zunehmend im Laufe des Lesens gestört hat.

Ein alter Psychiater zählt die Tage und Patientengespräche bis zu seinem Ruhestand. Er ist ein einsamer und verschlossener Mann. Ihm ist die Empathie für seine Patienten und Mitmenschen abhanden gekommen. Gegen seinen Willen nimmt seine Sekretärin eine neue Patientin, Agathe, auf. Sie weckt bei ihm Interesse und die Gespräche mit ihr lösen eine Veränderung in ihm aus.
 
Es ist ein schön gemachtes kleines Büchlein. Mir war die Geschichte allerdings ein bisschen zu simpel gestrickt: Jahre und Jahrzehnte haben den Psychiater zu diesem Menschen gemacht, der er ist. Leider erfahren wir über die Hintergründe nichts. Und nun kommt eine Patientin, die ihn interessiert, zu der er sich hingezogen fühlt und auf einmal ist alles anders. Das ist für mich zu glatt. Zumal eben auch viele Fragen offen geblieben sind, u.a.: Warum ist der namenlose Psychiater so ein einsamer Mensch geworden? Was ist ihm passiert? Welche Rolle spielen die Zeitumstände - das Buch spielt 1948? Da hätte das Buch gerne noch etwas mehr Fundament haben können.
 
Was mir an dem Buch dagegen gut gefallen hat, war die Sprache: Die kurzen Kapitel sind immer auf den Punkt gebracht und schaffen Bewegung in dem eher ruhigen Fluss der Geschichte. Auffällig schön sind die Metaphern und Bilder, die die Autorin verwendet: Die Zeit, die durch ihn hindurch rinnt wie Wasser durch einen rostigen Filter, der alternde Körper als graues Gefängnis, das zerknüllte Taschentuch, das wie eine Wasserlilie auf dem Tisch liegt.
 
Ich bin sehr zwiegespalten in meiner Meinung zu diesem Buch - einerseits war ich sprachlich sehr angetan, andererseits habe ich mir mehr Hintergrund und Tiefe der Figuren gewünscht. Daher war es  für mich ein bisschen zu glatt und zu einfach im Sinne von "du kannst alles ändern, wenn du nur willst". Vielleicht versuche ich es irgendwann noch einmal zu lesen, in einer anderen Stimmung oder Zeit.