Rezension

Zu polemisch, zu populistisch

Atheismus für Anfänger -

Atheismus für Anfänger
von Richard Dawkins

Bewertet mit 2 Sternen

„Wir sollten erwachsen werden und alle Götter aufgeben„, schreibt Richard Dawkins am Ende seines Buches „Atheismus für Anfänger„. Was er in seinem Buch präsentiert, ist freilich nichts Neues. Ja, ich wage sogar zu behaupten, dass Dawkins in seinem Bestseller „Gotteswahn“ sich deutlich mehr Mühe gemacht hat, zu argumentieren. Der Autor bleibt zumeist polemisch und populistisch, argumentativ ist er eher schwach auf den Rippen. 

So behauptet Dawkins etwa in Blick auf den Monotheismus recht platt, dass der Teufel letztlich auch eine Art Gott sei, führt die Trinität und die Heiligenverehrung als Beleg für den christlichen Polytheismus an. 

Ganz schräg wird es, wenn Dawkins behauptet, dass die Zahl der Evangelien etwa durch die vier Himmelsrichtungen festgelegt sei, was Dawkins als „biblische Logik“ abkanzelt. Dass die Vierzahl später erst zementiert und erhöht wurde, darauf kommt Dawkins nicht. Er argumentiert anachronistisch, wo er doch sonst die Mythenbildung ausführlich als Beweismittel nutzt. Des Weiteren behauptet Dawkins, die Auswahl der Evangelien sei willkürlich erfolgt – als ob man von ebenbürtigen Evangelien wüsste, die in gleicher Ausführlichkeit und Zuverlässigkeit wie Matthäus, Markus, Lukas und Johannes von Jesu Leben berichteten. 

Auch an anderer Stelle lässt sich Dawikins Logik kaum nochvollziehen. So behauptet er etwa, da das Neue Testament „von späteren Zeiten handelt als das Alte, ist es in der Bibel noch am ehesten eine historische Darstellung“. Was für eine Binsenweisheit! 

Dawkins Credo ist: „Der einzige Grund, an die Existenz von irgendetwas zu glauben, sind Belege“. Der Relevanz von Mythen kann Dawkins deshalb keinen Raum einräumen. Die Brille des Glaubens bei den Verfassern der Evangelien – davon will Dawkins nichts wissen. Für ihn gilt als alleiniger Maßstab zur Beurteilung der Bibel die Historizität. Wunder sind geschehen oder eben nicht – anderen Deutungen lässt Dawkins keinen Raum. So misst man nach Dawikins mit „zweierlei Maß“, wenn man die Wunder der Kindheitsevangelien ablehne, die der Evangelien aber nicht. An einer Stelle immerhin spricht Dawkins vom „symbolischen Weg der Übermittlung“, allerdings nur, um ihn als umständlich abzuwerten. 

An vielen Stellen des Buches scheint es, als ob Dawinks ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass Gläubige ihr Hirn beim Lesen der Bibel ausschalten Auf die historisch-kritische Methode geht er nicht ein. Differenzierungen lässt er beiseite, wo es seiner Argumentation schaden könnte. 

So fragt er sich, warum Paulus so wenige Informationen über Jesus biete und deutet damit an, dass Jesus vielleicht gar nicht gelebt habe.  Da kann man dann auch einfach mal behaupten, dass es „eine Minderheit der Fachleuchte“ gebe, die nicht an die Existenz Jesu glauben. Ebenso kann er undifferenziert Zuschreibungen von Kirchenvätern und Informationen aus den Evangelien vermischen. Für ihn scheint gleich unwahrscheinlich zu sein, dass es einen Evangelisten namens Matthäus gab wie einen Arzt namens Lukas.

„Atheismus für Anfänger“ richtet sich vor allem in seinem zweiten Teil, in dem Dawkins ausführlichst auf die Evolutionstheorie eingeht, an ein amerikanisches Publikum. Das „intelligent design“ wird ausführlich dargestellt und mit Geparden und Gazellen widerlegt. Auch andere Aussagen, wie etwa dass ein Großteil des Geldes, das Kirchen einsammeln, in die Finanzierung von Missionaren fließe, lässt sich nur mit den amerikanischen Adressaten erklären. 

Dawkins Buch krankt daran, dass er ausführlich darlegt, weshalb man Gott nicht braucht, aber eigentlich sagen will, dass der Glaube an Gott nicht nur unnütz, sondern auch schädlich ist – nur fehlt hier jegliche Begründung. Stattdessen liefert Dawkins Polemik. Er sieht letztlich keinen Unterschied in der Frage nach der Historizität zwischen Abraham und Rotkäppchen, kann biblische Mythen gleichstellen mit denen über Elvis Presley und Kennedys Tod. 

Einseitigkeit prägt das Bild, das Dawikins von der Religion aufzeigt. Die grausamen Züge im Gottesbild Jahwes erfährt man, nicht aber von der Sozialgesetzgebung der Thora und der Prophetie als Alleinstellungsmerkmal sozialen Handelns im Alten Orient.  Als biblische Vorbilder fällt Dawkins nichts anderes ein als Gott (sic!) und Jesus. An solchen Stellen hat man den Eindruck, dass Dawkins vom Judentum und Christentum nicht viel verstanden hat – oder nicht viel verstehen will. Keine Frage, auch Martin Luther und sein Judenhass wird als Negativbeispiel aus der Versenkung geholt. 

Auf theologische Diskussionen lässt sich Dawkins erst gar nicht ein. Die Auferstehung legt er überraschend schnell ad acta, gegen die Deutung von Jesu Tod führt er Gottes Allmacht an, die einen grausamen Gott zeige, der seinem Sohn nicht helfe, obwohl er es ja könnte. 

Überzeugender wird Dawkins in seiner Argumentation, wenn er fragt, ob Gott bessere Menschen mache. Hier führt er verschiedene ethische Modelle an (konsequentialistisch und absolutistisch – hier eher als deontologisch bekannt), um zu zeigen, dass moralisches Handeln ohne den Glauben an Gott funktioniere. Erstaunlich viel Platz verwendet Dawkins schließlich darauf, das „Honesty Box“-Experiment darzustellen, nach dem auch eine rein symbolische Überwachung (z.B. mit gemalten Augen) zu einem ehrlicheren Verhalten führe. Eine Art „do ut des“ leitet er schließlich aus der Natur ab, moralische Werte wie Altruismus hätten sich auch in der Evolution entwickelt. 

Ein wenig hilflos wirkt Dawkins, wenn er ausführt, dass kaum Biologen, aber umso mehr Physiker den Dialog mit der Religion suchen – es seien eben „neue Lücken“, nachdem die Evolutionstheorie die biblischen Schöpfungsgeschichten erledigt habe. Lücken, die die Physik irgendwann schließen werde – ohne Gott. Mir hat Richard Dawkins „Atheismus für Anfänger“ überraschend wenig zum Nachdenken gegeben.