Rezension

Zu real um fiktiv zu sein!

Die Fotografin - William Boyd

Die Fotografin
von William Boyd

Bewertet mit 5 Sternen

Armor Clay entdeckt in den 1930er Jahre ihre Passion zur Fotografie. Damals ist sie fast noch eine Exotin, die meisten Berufsfotografen sind Männer, das Pflaster ist entsprechend steinig für sie. Im Verlauf der Handlung sucht die junge Frau nicht weniger als sich selbst, ihre berufliche Position und die Liebe. Armory durchlebt politische und emotionale Krisen und ist Zeitzeugin in aufrührenden Zeiten.

William Boyd erzählt die fiktive Lebensgeschichte dieser Figur so authentisch und webt sie so nahtlos in historische Fakten ein, dass ich gar nicht glauben konnte, hier einen Roman vor mir zu haben. Alles liest sich so echt, fühlt sich so echt an, dass ich immer noch ein klein wenig überzeugt bin, dass Amory Clay eine tatsächliche historische Persönlichkeit war.
Das liegt unter anderem an der detaillreichen Geschichte. In der Handlung finden sich Bezüge zum ersten Weltkrieg und dem Vietnamkrieg, zu den Entwicklungen in England in den 1930er Jahren und dem „verruchten“ Berliner Nachtleben. Zum anderen werden alle Etappen der Geschichte mit Armorys Fotos unterlegt. Wir sehen sie, ihren Vater, ihre Männer und die Kriegsfotografien. Diese Fülle an Details verwebt sich zu einem perfekten Bild.
Auch die vielen Nebenhandlungen, Schicksalsschläge und interessanten Charakere, die Armorys Weg kreuzen, sind zu ausgefeilt, um nur erdacht worden zu sein.
Da die Handlung aus Armorys Perspektive erzählt wird, ihr Ton so leicht, manchmal spöttisch aber immer gefühlvoll ist, konnte ich mich ihr als Charakter schließlich nicht mehr entziehen. Von der ersten bis (vor allem!) zur letzten Seite hat sie mich immer wieder überrascht und zum Nachdenken gebracht. Vor allem das Ende empfand ich dabei als besonders wertvoll.

Die Hauptfigur des Romans, Armory, spielt häufig ein Spiel, das sich darum dreht Personen mit nur vier Adjektiven möglichst umfassend zu beschreiben. Möchte man dieses Buch ebenso beurteilen, würde ich „elegant, träumerisch, mitreißend und historisch“ wählen. Eigentlich sind aber vier Adjektive längst nicht genug! Es fehlen: großartig, fesselnd, sinnlich, poetisch…