Rezension

Das spannende Leben einer langweiligen Frau

Die Fotografin - William Boyd

Die Fotografin
von William Boyd

Bewertet mit 3 Sternen

Anfangs hat mir dieses Buch sehr gefallen. Die fiktive Biographie einer interessanten Frau. Amory Clay ist Fotografin und erzählt kurz vor ihrem 70.Geburtstag über ihr wechselvolles Leben. 
Als Kind ist sie originell und eigenwillig, da macht es großen Spaß, ihre Geschichte zu lesen. Noch dazu sind liebevoll Fotos eingeflochten, deren Entstehung man mitverfolgt. Großartig. 

Ihre eigentliche Fotografenkarriere liest sich dann leider wie ein mäßiger Hollywoodfilm. Amory ist jung, schön und begabt. Die Männer liegen ihr zu Füßen und fördern gerne ihr berufliches Weiterkommen. Sie lebt mal in London, New York, Berlin oder Paris, kokettiert damit, provokative Fotos zu machen, hat Erfolg, aber nicht einen einzigen künstlerischen Gedanken. Müsste eine Fotografin nicht ein Auge für Farben, Licht und Schatten, für Motive und Stimmungen haben? Amory hat das nicht nötig. Sie ist einfach gut. 
Im zweiten Weltkrieg arbeitet sie als Kriegsberichterstatterin. Welch Abenteuer. Mutig schmuggelt sie sich an die Frontlinie und schießt Fotos, wo sie nur kann. Angst hat sie kaum. Ab und an sieht sie Leid und hält die Kamera drauf. Da wird doch der Krieg zur Sightseeingtour. Diese Frau ist taff, abgebrüht, die Coolness in Person. Langweilig. Später zieht sie sogar aus „Unternehmenslust“ in den Vietnamkrieg, was sie immerhin zum Nachdenken bringt und was dann wohl auch Zeit wird. Zu dem Zeitpunkt ist Amory fast 60, wickelt aber noch immer Männer um den Finger. 

Ziemlich nervtötend ist auch, dass sie sich ständig Zigaretten anzündet und Drinks jeder Couleur genehmigt. Natürlich hat man in den 20er Jahren, ja sogar noch in den 60ern, überall geraucht. Wenn das historisches Flair erzeugen sollte, wären da schon Varianten wünschenswert.

Dieses Buch hätte spannend werden können, wenn es ihm gelungen wäre, eine tolle Frau lebendig zu machen. Leider bleibt sie nur ein Bild, eine Actionfigur mit künstlichem Glamour, was auf Dauer wirklich ermüdet. Mich hat es nach etwa der Hälfte sehr gelangweilt.