Rezension

Zu viele Perspektiven

Warte, bis du schläfst - Mary Higgins Clark

Warte, bis du schläfst
von Mary Higgins Clark

Bewertet mit 4 Sternen

Charles MacKenzie Jr., von allen Mack genannt, stammt aus einer wohlhabenden New Yorker Familie und verschwindet im Studentenalter spurlos. Er meldet sich allerdings einmal im Jahr bei seinen Eltern und seiner Schwester durch einen Anruf zum Muttertag. Die Geschichte selbst spielt 10 Jahre nach Macks Verschwinden. Sein Vater ist mittlerweile tot. Seine Schwester Carolyn beschließt bei seinem jährlichen Anruf, ein letztes Mal eine Suche nach ihm zu beginnen, obwohl Mack das verhindern will.
Gleichzeitig gerät Mack ins Vezier der Polizei, da in den letzten 10 Jahren mehrere Frauen verschwunden sind, die letzte kurz nach Macks letzter Nachricht und nach dem Besuch eines Clubs, der seinem früheren besten Freund gehört.

Insgesamt erzählt die Autorin die Geschichte von Carolyns Suche nach Mack, ihren Versuchen die alten Bekannten erneut zu befragen und Spuren zu finden, sowie die Suche nach der verschwundenen Leesey recht spannend. Was mich aber gestört hat, war der viel zu häufige Perspektivenwechsel und die Vielzahl an Charakteren. Ein bisschen unübersichtlich. Außerdem erfährt man dadurch von jeder einzelnen Person relativ wenig - das Buch ist ja auch nicht besonders dick und auf weniger als 350 Seiten ungefähr 10 Personen als aktive Erzähler einzuführen, fand ich ein bisschen too much. Gerade am Anfang bin ich gelegentlich ein bisschen durcheinander gekommen. Denn obwohl die Autorin relativ oft ein neues Kapitel eröffnet, das in der Regel auch eine neue Person zum Erzähler macht, wechselt auch innerhalb des Kapitels und das ein oder andere Mal auch mitten in einem Gespräch zwischen zwei Personen die Perspektive und man bekommt auf einmal die Gedanken beider Akteure zu hören...ohne Vorwarnung.

Die eigentliche Hauptfigur ist Carolyn MacKenzie. Ihr Blickwinkel wird auch als einziger aus der Ich-Perspektive beschrieben. Allerdings kommt sie ein bisschen zu kurz, für meinen Geschmack. Was ich meine ist: Sie ist zwar eindeutig die Hauptfigur und die Handlung dreht sich immer irgendwie um sie, aber durch die vielen Wechsel zwischen so vielen Personen, kommt ihre Rolle einfach ein bisschen zu kurz.

Außerdem empfinde ich es als merkwürdig, dass auch aus der Perspektive des/der Täter(s) erzählt wird, aber zum einen als neutrale Handlungspersonen, wobei ihre Gedanken nie eine aktive Teilnahme an der Tat zeigen, und zum anderen als Täter, wie er/sie an die Tat denkt/en. Wer das Buch gelesen hat, kann dies möglicherweise nachvollziehen, ich möchte nicht zu sehr spoilern.

Was mir gut gefallen hat, war, dass das Ende logisch war, die Motive Sinn machen und es nicht diese klassische Thriller-Ende-Handlungspause von 30 Seiten gibt, in der der Täter sich erstmal die Mühe macht seinem Opfer über Stunden seine völlig abwegigen Motive zu erklären, damit der Leser dieses völlig überraschende Ende wenigstens halbwegs versteht. Und trotzdem ist es echt spannend und das Ende überraschend - nur halt nicht völlig abwegig. Zwar werden natürlich auch hier die Motive und die Zusammenhänge aufgeklärt, aber es macht Sinn und ist deswegen kurz, knapp und logisch! Leider viel zu selten bei Thrillern.

Zuletzt muss ich noch sagen: Der deutsche Titel macht (wie so oft) wenig Sinn für das Buch. Im englischen heißt es "Where are you now" ("Wo bist du jetzt")... das beschreibt optimal treffend die Geschichte dieses Buchs. Mack ist verschwunden, Carolyn und die Polizei suchen ihn: Also ist "wo bist du jetzt" die perfekte Frage. Warum heißt das Buch also im Deutschen "Warte bis du schläfst"??? Eigentlich wird nur nebenbei mal geschlafen, die meisten Charaktere leiden sogar unter akutem Schlafmangel...bei einem solchen Titel würde ich eher an eine Geschichte alla Freddy Krueger denken. Vielleicht kann mir ja jemand den Sinn hinter dem Titel erklären.

Nochmal zusammenfassend: Das Buch kann man absolut lesen. Ist gibt einige Kleinigkeiten, insbesondere die Vielzahl der "aktiven Charaktere" (die Hälfte hätte es auch getan), die mich ein bisschen gestört haben. Aber es ist spannend bis zum Ende und ein recht guter Thriller.