Rezension

Zum Teil hilfreich, aber leider auch viel Selbstdarstellung

Fluent in 3 Months: How Anyone at Any Age Can Learn to Speak Any Language from Anywhere in the World - Benny Lewis

Fluent in 3 Months: How Anyone at Any Age Can Learn to Speak Any Language from Anywhere in the World
von Benny Lewis

Bewertet mit 3 Sternen

Zum Teil hilfreich mit neuen Ansätzen, zu großen Teilen aber auch Selbstdarstellung, basierend auf zu verallgemeinernden bzw. selbstbezogenen Annahmen

Inhalt

Der irische Blogger Benny Lewis behauptet von sich selbst, sieben Sprachen fließend zu sprechen und viele weitere auf den verschiedensten Niveaus zu beherrschen.
In diesem Buch beschreibt er seinen Ansatz zum Erfolgreichen Erlernen einer Fremdsprache, wobei er sich vor allem auf seinen Ansatz "Von Tag 1 an sprechen" konzentriert.

Meinung

Ich habe mir dieses Buch zugelegt, nachdem ich zuvor mit "Fluent Forever" von Gabriel Wyner angefangen habe - einem Buch, das ebenfalls vom Sprachenlernen handelt.
Doch im Vergleich dazu hat mir "Fluent in 3 Months" leider gar nicht zugesagt, da ich das Buch insgesamt als nicht hilfreich für mich empfand.

Was man auf jeden Fall wissen sollte, bevor man mit dem Buch beginnt: Es handelt sich hier wirklich hauptsächlich und den von Benny Lewis erdachten und auf ihn persönlich zugeschnittenen Lernansatz. Lewis hat eine genaue Vorstellung davon, wie gutes Sprachenlernen aussieht, ohne das jemals anders zu begründen als mit seinen eigenen Erfahrungen. Dabei bedenkt er zwar, dass nicht jeder Mensch gleich lernt, stellt aber trotzdem viele seiner Meinungen als ultimative Fakten da oder tritt sie trotzdem weiter breit, obwohl sie vielleicht nur für ihn oder einen winzigen Anteil aller Sprachenlerner relevant sind. Wissenschaftliche Erklärungen, zB. für die Funktionsweise seiner Merkstrategien, liefert er nie, obwohl diese den Leser vielleicht davon überzeugen könnten, dass seine Methoden auch bei anderen Menschen anwendbar sind.

Lewis vertritt sehr radikale Ansichten, wie man Fremdsprachen am besten erlernen sollte, nämlich indem man vom ersten Tag des Lernens an spricht, selbst wenn man eigentlich noch keine Sätze bilden kann. Das mag ja zum Teil ein ganz nützlicher Tipp sein, da sich viele Menschen lange nicht trauen, die Sprache tatsächlich zu sprechen, obwohl man durch Anwendung am schnellsten sicher wird.
Jedoch finde ich es sehr zweifelhaft, ob es tatsächlich empfehlenswert ist, anfangs ganze Gesprächsmuster und mögliche Antworten auswendigzulernen und sich erst der Grammatik zu widmen, wenn man schon halbwegs flüssig spricht. Denn wie soll man bitte flüssig sprechen und eigene Sätze bilden können, wenn man nicht einmal Verben konjugieren kann oder sich Regeln wie zB der bewusst ist, dass im Italienischen Präpositionen und Artikel manchmal zu neuen Wörtern verschmelzen? So wird man nicht nur andere nicht verstehen, sondern es auch selbst schwerer haben, richtige Sätze zu formen.
Nach Lewis' Ansatz würde man die Sprache erlernen wie ein Baby, das einfach nachplappert, was es versteht, oder die Wörter brabbelt, die es meint aufgeschnappt zu haben. Natürlich lernen Babys letzten Endes auch so, jedoch brauchen sie Jahre, bis sie sich gut ausdrücken können, und Lewis' zufolge soll uns das ja nur wenige Monate kosten.
Hier wird vor allem klar, dass Lewis' sich gegen den traditionellen Lernansatz des irischen Schulsystems (oder zumindest dem seiner früheren Schulen) wendet, wo er offenbar nur Theorie pauken musste und die Sprache nicht anwenden konnte. Da er persönlich damit nicht klargekommen ist (während er das System aber als grundsätzlich schlecht darstellt), hat er einen komplett anderen Ansatz entwickelt, ohne in Betracht zu ziehen, dass ein Kompromiss aus Theorie und Praxis vielleicht effektiver sein könnte. Wieder einmal geht es nur um seine Meinung basierend auf seinen Erfahrungen, ohne allgemeine Erklärungen und Begründungen dafür.
Ich selbst habe Fremdsprachen in der Schule jedenfalls sehr gut durch eine Kombination aus Theorie und Praxis von Anfang an gelernt.

Nervig ist ebenfalls Lewis' auffällig selbstdarstellerischer Ansatz. Einerseits ist es natürlich gut und lässt das Buch glaubhafter wirken, dass er seine Ansätze mit Beispielen unterlegt, andererseits betont er für meinen Geschmack einfach zu oft, was er alles kann und gelernt hat, wie unfassbar leicht ungarische Grammatik für ihn gewesen sei und dass er in der Lage gewesen sei, an einem einzigen Abend sieben sprachen flüssig zu sprechen. Vieles davon wirkt einfach übertrieben, angeberisch und lässt den Leser vor allem leicht vergessen, dass Lewis sich dem Sprachenlernen Vollzeit bzw. mehrere Stunden am Tag widmet (was für die meisten ja wohl eher kein realistisches Ziel ist) und daher natürlich viel schneller Erfolge erzielt. So eine Betonung des eigenen Könnens ist meiner Meinung nach eher kontraproduktiv, wenn man seine Leser zum Lernen animieren will, da man so unweigerlich dafür sorgt, dass die Leser sich mit dem Autor vergleichen und frustrieren, weil sie nicht so schnell lernen.

Doch natürlich enthält "Fluent In 3 Months" - vor allem in späteren Kapiteln - auch einige nützliche Tipps. Während es im zweiten Kapitel zunächst eine halbe Ewigkeit (teilweise auch etwas zu lang) darum geht, die Leser zu motivieren, gibt Lewis in den späteren Abschnitten praktische Tipps zum Lernen und Merken von Vokabeln, zu der Frage, wo und wie man am besten Kontakt zu Muttersprachlern aufnehmen kann, zu realistischen Zielen, die man sich zur Motivation und zur Kontrolle setzen sollte und auch dazu, wie man sein Sprachniveau von "halbwegs flüssig über alltägliche Themen reden können" aufwärts perfektionieren kann.
Hier profitiert der Leser definitiv von Lewis' vieler Erfahrung und auch Lewis' wirkt deutlich bodenständiger und realistischer als in den Anfangskapiteln, wo seine Motivation eher zur Angeberei ausuferte.
Immer wieder wird der Leser auch auf links zu anderen Websites oder ausführlicheren Erklärungen auf Lewis' Website verwiesen, wo Lewis' beispielsweise gutes Lernmaterial für die verschiedensten Sprachen und Tipps zum erlernen spezieller Sprachen zusammengestellt hat.

Positiv ist auch zu sehen, dass Lewis' seine Leser immer wieder motiviert, indem er betont, wie leicht das Sprachenlernen sein kann, wenn man genug Leidenschaft dafür aufbringt. Er räumt mit sämtlichen klischeehaften Ausreden, die man eventuell bringen könnte, auf und zeigt, dass man nicht hochbegabt oder ein Sprachengenie sein muss, um ein Polyglott zu werden.

Fazit

"Fluent In 3 Months" als schlechtes Buch zu bezeichnen wäre unfair, aber es ist definitiv kein Buch, dass ich Lesern ans Herz legen würde, die mithilfe eines solchen Buches eine Fremdsprache lernen wollen. Ja, Benny Lewis liefert einige hilfreiche Tipps, präsentiert gute Quellen für Lernmaterial und veranschaulicht seine Tipps mit Beispielen. Doch er ist auch ziemlich viel damit beschäftigt, seine eigenen Erfolge breitzutreten, das Schulsystem, indem er zuerst Sprachen gelernt hat, zu verteufeln und einen sehr radikalen und nicht unbedingt für jeden geeigneten Ansatz zu verfolgen und häufig als den einzig richtigen darzustellen. Einen Kompromiss zwischen Theorie und Praxis sieht er kaum vor, was ich persönlich für sehr zweifelhaft halte. Als Begründung für alle gewagten Thesen setzt er seine eigenen Erfahrungen ein, ohne auf die Vielfältigkeit seiner Leser einzugehen, die vielleicht nicht so lernen können wie er.
Vielleicht könnte Lewis' Ansatz für einige der Richtige sein, doch er ist mir zu engstirnig, um ihn allgemein empfehlen zu können. Ich vergebe ganz knappe 3 Sterne.

Kommentare

micluvsds kommentierte am 24. Juli 2016 um 10:53

Über die Rezension habe ich mich gefreut, denn mir ging es ganz ähnlich. Ich lerne selber autodidaktisch Sprachen (nach meiner eigenen intuitiven Methode), und konnte mit einige Tipps wirklich etwas anfangen, aber mir gefiel auch dieses dogmatische und selbstdarstelelrische im Buch nicht besonders und ich fürchtete schon, ich wäre da die Einzige.