Rezension

Zwischen Stereotypen und Ideenreichtum

Kronsnest -

Kronsnest
von Florian Knöppler

Bewertet mit 3 Sternen

"Kronsnest" spielt im Norddeutschen in den ausgehenden 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Der Erste Weltkrieg ist vorüber, zehn Jahre sind vergangen, man hat sich wieder aufgerappelt, trägt aber noch schwer an den Folgen. Wirtschaftlich. Sozial. Psychisch.

Vielleicht hat deshalb der knapp 15jährige Hannes, der mit Vater und Mutter auf einem kleinen Hof lebt, so sehr unter den cholerischen Anwandlungen des Vaters zu leiden. Ganz genau ergründet man es nicht, warum der Vater den Sohn geradezu zu hassen scheint und ihn mehr als einmal regelrecht misshandelt. Die Mutter zwischendrin. Stille Mediatorin. Das ist kein unbekanntes Setting. Ziemlich stereotyp. Manchmal Pucki: Pferdchen, Hündchen, gezähmte Dohle.
*Pucki: Magda Trott, 12 Bände, alle gelesen.

Was an dem Roman fesselt, sind die Beschreibungen der Landschaft und der Natur. Diese Beschreibungen sind ein wenig zu lose und unverknüpft in den Raum gestellt, aber lyrisch und schön zu lesen. Dabei nicht ausufernd.

Was an dem Roman ebenfalls besonders zu schätzen ist, ist seine Nähe zur norddeutschen kargen Lebensweise. Das Leben als Kleinbauer ist ein fortwährender Kampf. Hier sind „Kronsnest“ Stärken angesiedelt. Die fortwährenden Rückschläge, die man erleidet, dann wieder Erfolge und Hoffnungen, unerwartete Krankheiten der Tiere, die Geld verschlingen. Die Beschreibungen landwirtschaftlichen Handelns. Hier hat mich der Roman gepackt. Dazu die politischen Unwägbarkeiten. Der Roman versucht hier etwas, er versucht, die politischen Zusammenhänge ins Boot zu holen, aber es ist zu schwach, um zu überzeugen, zu kindlich, zu naiv wird hier erzählt.

Bedauerlicherweise bildet der bäuerliche Überlebenskampf auch nicht das Zentrum der Geschichte, sondern Hannes Gedankenwelt und die Beziehungen zu Mara, sie ist die Tochter des gebildeten Grundbesitzers in der Nachbarschaft. Kann man machen. Der Fokus aufs pubertäre Zwischenmenschliche interessiert aber die ältere Leserschaft nicht in der dargestellten Ausführlichkeit und für die jüngere ist „der Beziehungskram“ nicht modern genug. In den Dialogen und im Zwischenmenschlichen zeichnen sich dann auch die größten Schwächen von „Kronsnest“ ab. Wo der Autor sich in den Landschaftsbeschreibungen durchaus mit Sprachgewalt auszeichnet, bleibt er in den Dialogen sprachlich und inhaltlich leider alles schuldig. Die Figurenzeichnung/en ist/sind einfach zu mager. Auf jeden Fall ausbaufähig.

Die Handlung des Romans selbst ist denn auch unspektakulär und bleibt im Oberflächlichen, beinahe im Belanglosen stecken, obwohl es durchaus dramatische Szenen gibt, aus denen der Autor durch das Verwirklichen des ehernen schriftstellerischen Gesetzes „Show, don’t tell“ mehr hätte herausholen können. Dramatik darf man nicht verschenken!

Fazit: Und dennoch: Der Roman hat etwas. Etwas Vielversprechendes. Etwas Erdiges. Ich bin gespannt darauf, ob im zweiten Band die "Kinderkrankheiten" des ersten Bandes überwunden werden können.

Kategorie: Heimatroman. Belletristik.
Verlag: Pendragon, 2021