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Mein Was-liest-Du-Novembergewinn

Eine Tasche voller Bücher...

Über kubanische Kühe, die Statistik des Glücks und wie es sich anfühlt, zwei Stunden zu gewinnen, in denen man durch eine Buchhandlung streifen und eine Mayersche-Tasche mit Wunschbüchern füllen darf.

„… zwei aneinander genähte Stoffteile. 37x42 cm. Und unendlich viele Möglichkeiten, den Raum dazwischen zu füllen…“ Ich tippte den Satz zu Ende, lehnte mich im Bürostuhl zurück und las mir mein Posting noch einmal durch. Dann klickte ich auf Speichern. Noch 29 Tage, dachte ich. 29 Tage, um davon zu träumen, eine Mayersche-Tasche mit meinen Wunschbüchern zu füllen. Ich griff nach meinem Kalenderbuch, blätterte bis zum 30. November vor und markierte den Tag mit einem kleinen Ausrufezeichen. „Ende des Was-liest-Du-Gewinnspiels“ schrieb ich mit Bleistift unter das Datum, dann klappte ich den Kalender wieder zu und legte ihn zur Seite.

Ich stützte den Kopf auf die Hände und sah aus dem Fenster. Plötzlich kam mir die Geschichte von der kubanischen Kuh in den Sinn. Die Kuh, die 1960 von den herabstürzenden Teilen einer amerikanischen Weltraumrakete erschlagen worden war. Die Kuh, mit der ich in den vergangenen zwölf Monaten eines gemeinsam hatte: das schicksalhafte Aufeinandertreffen einer Reihe von Unwahrscheinlichkeiten mit fatalen Folgen. Man könnte auch einfach sagen, unglaublich viel Pech. Ich dachte darüber nach, wie kostbar und selten Glück ist. Und ob es den Gesetzen der Statistik folgt. Irgendwie wünsche ich es mir, denn das würde bedeuten, dass es nicht nur bittere, sondern auch schöne Unwahrscheinlichkeiten gibt. So etwas, wie unter mehr als 3.700 Was-liest-Du-Freunden als Gewinner einer randvoll mit Wunschbüchern bepackten Tasche gezogen zu werden.

29 Tage später öffnete ich abends mein Kalenderbuch. Mein Blick fiel auf das kleine Ausrufezeichen und meine Notiz. Bis zu dem Augenblick hatte ich kaum noch an das Gewinnspiel gedacht, nun begann es in meinem Bauch zu kribbeln. Ich ging zu meinem Notebook und rief die Was-liest-Du-Seite auf. Noch keine Info zu dem Gewinn. Aber ab diesem Moment ging mir die Tasche nicht mehr aus dem Kopf. Es war Freitagabend.

Am Montagmorgen war die Spannung in der Zwischenzeit so gestiegen, dass ich ab dem Frühstück alle halbe Stunde nachsah, ob es Neuigkeiten zu dem Gewinn gab. Ich versuchte geduldig zu sein, aber das war an diesem Tag nicht meine Stärke. Gegen Mittag setzte ich dann Wasser auf und kochte für meinen sieben Monate alten Sohn eine Portion Möhren. Der Kleine lag auf der Krabbeldecke und spielte, während ich den Brei vorbereitete. Als alles fertig war, nahm ich ihn hoch, setzte ihn in seinen Babystuhl und begann ihn zu füttern. „Mmmmmmh, Matschepampe!“, lachte ich und mein Sohn prustete. Mit einem Mund voller Möhrenbrei.

Nach einer halben Stunde war die kleine Breischüssel leer. Nicht gleichbedeutend mit aufgegessen. Ein püriertes Orange-Rot zierte das Gesicht meines Sohnes, sein Lätzchen und seine Hände – und mich. Vollkommen verschmiert griff ich nach der Breischüssel, um sie in die Küche zu bringen. Bevor ich aufstand, fiel mein Blick auf das geöffnete Notebook, das auf dem Esstisch lag. Ich konnte nicht widerstehen. Mit dem einzig halbwegs breifreien Finger, den ich noch hatte – dem rechten Ringfinger – tippte ich auf die linke Maustaste und aktualisierte die Seite. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir bewusst wurde, was ich las.

Die Gewinner der Taschen-Aktion standen fest; drei Namen nebeneinander; in der Mitte – meiner. Ich stieß einen spitzen Schrei aus und schlug meine rechte Hand vor den Mund. Im selben Augenblick nahm ich den süßlichen Geschmack pürierter Möhren auf meinen Lippen wahr. Ich drehte mich zu meinem Sohn um und er schaute mich mit großen Augen an, dann patschte er wild mit seinen Händen auf das Tablett und lachte mich an. Mir wurde klar warum: Jetzt hatte ich genauso viel Brei im Gesicht, wie er. Ich sah zurück zum Notebook und las die Nachricht noch einmal, und noch ein weiteres Mal. Ich wollte sicher gehen, dass ich mich nicht geirrt hatte. Aber mein Name stand noch immer da. Ich drehte mich zu meinem Sohn um, hob ihn aus dem Babystuhl hoch in die Luft und wirbelte mit ihm im Kreis herum. Wir tanzten zusammen durchs Wohnzimmer, lachend und völlig möhrenverschmiert.

Eine Stunde später hatte ich den Kleinen für seinen Mittagsschlaf ins Bett gelegt. Auf Zehenspitzen verließ ich das Kinderzimmer. Ich setzte mich ans Notebook und öffnete mit aufgeregt zittrigen Fingern mein WLD-Postfach, und da war sie, die Nachricht von Maren. Herzlichen Glückwunsch! Du hast gewonnen!

Wirklich realisiert habe ich das ehrlich gesagt erst Wochen später, am 30.12., in dem Moment, in dem ich mit meinem Mann und meinem Sohn mit der U-Bahn Richtung Innenstadt fuhr, um den Gewinn einzulösen. Der Kleine lag zwischen uns im Kinderwagen und schlief, sein Papa zwinkerte mir verschmitzt zu und ich genoss das kribblige Gefühl von Aufregung, das mich an diesem Tag schon seit dem Aufstehen durchströmte.

Nur wenige Minuten später standen wir vor der Buchhandlung. Ich sah am Gebäude hoch. Erdgeschoss und drei weitere Etagen. Vier Stockwerke voller Bücher. Mein Mann tippte mir auf die Schulter und fragte: „Hätten wir eigentlich vorher das Taschepacken üben sollen?“ Verdammt, dachte ich, er hatte Recht. Über alles mögliche hatte ich mir Gedanken gemacht: Lieber wenige Hardcover und stattdessen viele Taschenbücher? Aussuchen nach Wunschliste oder spontane Entscheidungen? Sachbücher - ja oder nein? Nur das Packen der Tasche, daran hatte ich nicht gedacht. Egal. Ich atmete tief durch und wir betraten die Mayersche.

An der Kasse im ersten Stock zunächst Verwirrung. Die Buchhändlerin, mit der wir den Termin vereinbart hatten, war nicht im Hause. Unseren ersten Termin hatten wir verschieben müssen, weil das Schicksal uns immer noch für eine kubanische Kuh hielt, und von dem zweiten Termin wusste niemand sonst. Aber eine Kollegin versprach, schnell zu klären, was vorab zu klären war. Sie eilte davon.

Ich stand da und wippte auf den Zehenspitzen. Mein Blick wanderte über die Regale um mich herum. Nach einer Weile wandte ich mich an den jungen Buchhändler, der neben mir stand und etwas in den Computer eingab. „Entschuldigung“, sagte ich. „Darf ich Sie etwas fragen?“ Er blickte lächelnd auf und nickte. „Ja, sicher.“ „Wie viele Bücher haben Sie hier?“ Er zog die Augenbrauen hoch und legte die rechte Hand in den Nacken. Dann zuckte er bedauernd mit den Schultern. „Hm, exakt weiß ich das nicht. Etwa 100.000.“ Ich musste schlucken. „Wenn Sie möchten, schaue ich noch einmal genauer nach“, sagte er. Ich nickte langsam. Einhunderttausend Bücher, dachte ich. Und nur zwei Stunden Zeit. In dem Moment kam die Kollegin zurückgeeilt und überreichte mir die Mayersche-Einkaufstasche. Mein Mann zwinkerte mir zu. „Die Zeit läuft.“

Ich wollte sofort loslaufen, rührte mich aber erstmal nicht vom Fleck. Wo sollte ich überhaupt anfangen? Noch etwas, über das ich mir keine Gedanken gemacht hatte. Ich sah mich um. Dann steuerte ich auf einen Stapel mit Biografien zu, denn obenauf lag ein Buch, das auf meiner Wunschliste stand, die ich jetzt aus meiner Hosentasche zog und auseinander faltete. Ich griff nach Malala Yousafzais Biografie Ich bin Malala, hielt die Mayersche-Tasche auf und ließ das Buch hinein gleiten. „Oh, nein!“ Meine Stimme musste sich etwas überschlagen haben. Mehrere Leute in der Nähe drehten sich nach mir um. „Die Tasche ist fast voll!“, sagte ich gequält. Mein Mann lachte. „Und deine Zeit läuft auch ab!“ Ich zog die Augenbrauen zusammen und wedelte drohend mit dem Zeigefinger vor seiner Nase herum, dann wandte ich mich dem Regal neben mir zu.

Bevor ich die Buchhandlung betreten hatte, war ich mir eigentlich fast sicher gewesen, dass ich überhaupt keine zwei Stunden brauchen würde, denn ich hatte schließlich die Wunschliste in meiner Tasche. Was in meinen Überlegungen keinen Platz gefunden hatte, war die Tatsache, dass wahrscheinlich nicht alle Bücher dieser Liste vorrätig sein würden. Manche Titel waren schon ein wenig älter, wie Im Rhythmus der Stille von Sarah Neef. Andere Titel, wie Ein Schmetterling im November, Wo die wilden Kerle wohnen oder Der raue Berg, waren so kurz nach Weihnachten ausverkauft. Bestellen? Definitiv kein Problem, wäre da nicht die Zeit gewesen. Keine Buchhandlung dieser Welt hätte das innerhalb von zwei Stunden fertiggebracht.

Und es waren ja nicht einmal mehr zwei Stunden. Die Zeit verging viel schneller als ich gedacht hätte. Als mir nur noch knapp 30 Minuten zum Packen blieben, steckten alle vorrätigen Titel meiner Wunschliste, inklusive der Bücher für meinen Sohn, bereits in der Tasche. Und mein Mann sträubte sich dagegen, auch nur ein einziges Buch für sich selbst auszusuchen, weil seine Lieblingsautoren selten weniger als 1.000 Seiten füllen und mein Mann deshalb lieber die E-Book-Version dieser Bücher liest.

Also dachte ich nach, wie ich die übrigen Minuten am sinnvollsten nutzen könnte und mir fielen die Buchempfehlungen ein, von denen ich hier in den letzten Wochen immer wieder gelesen hatte. Vor allem von den Was-liest-Du-Freunden, deren Büchergeschmack ich teile. Nach und nach las ich deshalb in Die Bücherdiebin, Die Tribute von Panem und Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert hinein, stellte fest, dass sie mir wirklich gefielen und verstaute einen Titel nach dem anderen in der Tasche. Zum Schluss ließ ich mich auf eines der roten Sofas in einer der Leseecken fallen und packte alles noch einmal um, da tippte mich mein Mann plötzlich an. „Sechs Minuten noch, dann müssen wir wieder am Treffpunkt sein.“

Kurz darauf standen wir an der Kasse und ich dachte darüber nach, ob ich wirklich die richtige Auswahl getroffen hatte. „85.000 Bücher“, sagte plötzlich der junge Buchhändler, den ich am Anfang gefragt hatte, wie viele Titel in dieser Filiale wohl in den Regalen stehen mochten. Er lächelte: "Ich habe nochmal nachgefragt." 85.000 Bücher, dachte ich und sah auf meine Tasche. Und in dem Augenblick stellte ich fest: Ich hatte die richtige Wahl getroffen, ich hätte keine anderen Bücher als diese haben wollen…

Die kleine Raupe Nimmersatt

Der Buchstabenbaum

Die kleine Spinne Widerlich

Das ist ein Buch (2x)

Ich bin Malala

Gute Geister

Rilke – Briefe an einen jungen Dichter

Hallo, Mister Gott, hier spricht Anna

Die Bücherdiebin

Die Tribute von Panem I, II und III

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Vegetarische Gerichte in 20 Minuten

Vegan und vollwertig genießen

 

Ich sah zu, wie die Bücher eingescannt wurden. Ein Titel nach dem anderen erschien in neongrünen Buchstaben auf dem schwarzen Display. Titel für Titel las ich mit und genoss bei jedem die Vorfreude bei dem Gedanken daran, dieses Buch bald lesen zu dürfen, und dann plötzlich – eine Summe. Ob das Glück den Gesetzen der Statistik folgt, weiß ich noch immer nicht. Aber manchmal kann es anscheinend den Wert von 206,26 Euro annehmen. Das weiß ich jetzt.

37x42 cm. Zwei aneinander genähte Stoffteile. Dazwischen 16 Bücher. 15 für meinen Sohn und mich – und eines für euch. Glück ist etwas Seltenes, und darum möchte ich es gern teilen. Ein Genre zu finden, das euch allen gefallen würde, ist unmöglich, aus dem Grund habe ich einen kleinen Geschenkband ausgesucht, in dem es um das geht, was trotzdem jeder von uns liebt: Bücher.

Hiermit verlose ich deshalb Das ist ein Buch von Lane Smith. Jeder, der bis zum 10. Januar (23.59 Uhr) unter diesem Artikel ein Posting hinterlässt, in dem irgendwo – oder auch ausschließlich – in Großbuchstaben das Wort BUCH vorkommt, nimmt an der Verlosung teil.

An alle, die teilnehmen: Viel Glück! Für dieses und alle anderen Gewinnspiele, die noch kommen werden. Ich bin mir fast sicher, dass irgendwann auch wieder das Füllen einer Mayersche-Tasche darunter sein wird. Mitmachen werde ich dann natürlich nicht mehr, aber ich drücke euch allen schon jetzt die Daumen, dass ihr irgendwann zu den Glücklichen gehört, die eine solche Tasche mit nach Hause nehmen dürfen.

Danke an das Was-liest-Du-Team, dass ihr diesen Gewinn möglich gemacht habt.

Eure Fio

Mein Was-liest-Du-Monatsgewinn (Foto: M.W.) Geliebter Gutscheindieb 20 Minuten Wolfgang Niedecken hautnah! Mein Besuch auf der Frankfurter Buchmesse

Kommentare

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fio kommentierte am 09. Januar 2014 um 15:42

Was ich schön finde, ist, dass sich das WLD-Team für den Fall eine Alternative ausgedacht hat (siehe aktuelle Verlosung). Aber ich weiß, was du meinst... : (

jessyjames kommentierte am 26. Januar 2014 um 14:47

Liebe Fio ,
ich bin zwar zu spät für deine Verlosung aber wollte mich nur mal schnell für deinen Bericht bedanken und muss gestehen dass ich jetzt noch mehr Lust bekomme bei dem Gewinnspiel im Januar zu gewinnen. Du hast auch wirklich eine lustige Art zu schreiben und der vergleich mit der Kuh ...ich habe selten so gelacht bei "nur" einem Bericht über einen Gewinn.
Liebe Grüße und ich hoffe du hast noch Freude an deiner Tasche :-)

fio kommentierte am 26. Januar 2014 um 21:26

Das freut mich sehr : )))

Ohja, und an der Tasche (und vor allem an ihrem Inhalt ;) habe ich nach wie vor große Freude!

Deshalb drücke dir für den Januargewinn auch sehr die Daumen!

LG,
Fio

schatzye kommentierte am 30. Mai 2014 um 10:12

"Mir wurde klar warum: Jetzt hatte ich genauso viel Brei im Gesicht, wie er." und "Ob das Glück den Gesetzen der Statistik folgt, weiß ich noch immer nicht. Aber manchmal kann es anscheinend den Wert von 206,26 Euro annehmen." sind meine Lieblingssätze! Wundervoll liebevoll geschriebener Text, der einem das Gefühl glaube ich recht nah bringt. Und wenn man überlegt, dass Leute sich von 206,26EUR eine Tausche kaufen und Bücherfreunde sich für diesen Preis unvergessliche 2h zaubern können exklusive Stunden der Vorfreude und der Nachfreude, weiß ich, was ich mir später selbst einmal schenken werde ;)

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