Rezension

Wurde mir nochmal zu sehr dunkel

Auch am hellsten Tag -

Auch am hellsten Tag
von Ali Kassemyar

Bewertet mit 3 Sternen

Ali Kassemyar hat mich mit seinem Erstlingswerk, „Selbst in dunkelster Nacht“, gut unterhalten. Auch wenn er das Genre nicht neu erfunden hat, so hat er sehr echte Figuren geschaffen, auch bei den Nebenfiguren und er hat viele Emotionen mit leisen, sanften Tönen erzeugt. So überzeugend ich ihn als Erzähler also fand, so habe ich gleichzeitig schon am Ende gedacht, warum ein zweiter Band? Auch wenn es natürlich einen Cliffhanger nach Band 1 gab, so fühlte sich die Geschichte nicht unendlich weit vom Happy End entfernt. Wie ist nun also dieser zweite Band geworden, der sich nicht so anfühlte, als müsste es ihn geben?

Das Marketing von reverie hat es sehr geschickt gemacht, denn die Dilogie war auf jeden Fall alleine optisch mit der Idee der dunklen und hellen Seite hervorstechend. Die Idee ist natürlich auch passend, denn in Band 1 haben wir Liora und Kieran in all ihrem Leid kennengelernt und nun haben sie das Potenzial zur Genesung, so dass sie wieder das Licht im Leben sehen können. Dementsprechend bin ich schon mit gewissen Hoffnungsgefühlen in die Geschichte reingegangen, denn auch wenn ich Band 1 nicht schwermütig fand, aber ich fand es dennoch an der Zeit, da quasi den Frühjahrsputz zu machen, um die Figuren mit gutem Gewissen gehen lassen zu können. Dementsprechend erdrückend war dann aber der Einstieg in Band 1. Kierans ganze Art war diesmal wirklich extrem schwermütig und runterziehend. Aber auch in der Kleinstadt bei Liora liegt so viel Leid über dem Geschehen und dann noch Jos Schicksal… Es war wirklich sehr, sehr viel Dunkles zum Einstieg, durch das ich mich erstmal graben musste.

Letztlich hat mir hier das Zurückgreifen auch weiteres Leid auch gezeigt, dass dieser Band 2 nicht unbedingt die clevere Wahl war, denn der Inhalt alleine hat nur den Umfang eines runden Buches, zumindest in meinem Empfinden. Das wurde dann auch später deutlich, indem immer nochmal ein Schlenker dazu erfunden wurde, um die Geschichte auf eine typische Buchlänger zu bringen. Vielleicht hat sich das im Schreibprozess für Kassemyar so gar nicht angefühlt, aber ich fand es konstruiert. Auch wie Liora und Kieran sich dann näherkommen, nur damit er dann doch nochmal Abstand und Zeit braucht. Es ist aus wenig nochmal viel versucht worden zu machen, aber es ist einfach nur ein Versuch. Denn mir fiel auch auf, dass es fast nur noch Kierans Geschichte war. Auch wenn wir weiterhin beide Perspektiven haben, aber bei Liora ging es fast nur noch um Kieran. Jos Gesundheit war natürlich nochmal ein Punkt, der vor allem sie betraf und ihre Verlustängste, aber das war auch nur ein kleiner Teil. Ihre Familie spielte keine große Rolle mehr und auch sonst gab es für sie kein Material zum Wachsen mehr.

Kieran war dagegen die sehr dominante Figur und auch wenn ich finde, dass es gelungen ist, sein Gefühlschaos nachvollziehbar darzustellen, so sorgte die Einseitigkeit doch auch dafür, dass ich an manchen Stellen etwas genervt von ihm war. Das hat sich zum Glück immer schnell wieder aufgelöst, weil er eben mit Luke, aber dann auch später mit Chris wirklich emotional und nahbar umgeht. Da fällt es wirklich schwer, genervt zu sein. Deswegen denke ich auch wirklich, dass es einfach ein Nachteil infolge des einseitigen Schwerpunktes war. Denn so wirkte Kieran deutlich egoistischer, während Liora ihre Gefühle quasi geopfert hat und brav wartete. Aber die Geschichte wird tatsächlich noch hell und ich finde auch, dass am Ende alles wirklich schön und rund zusammenkommt. Aber das wäre auch am Ende von Band 1 schon drin gewesen.

Fazit: „Auch am hellsten Tag“ hat mich leider nicht so überzeugen können wie noch der erste Band von Ali Kassemyar. Ich hatte sowas schon befürchtet, weil sich die dargestellte Handlung für mich zu wenig für zwei Bände anfühlte. Das hat sich bestätigt und dazu fand ich auch, dass nochmal viel neues Leid drauf gepackt wurde und dann waren die Perspektiven bzw. die Herausforderungen für Kieran und Liora nicht gerecht verteilt. Es fühlte sich zu sehr nach Kierans Spielweise an. Aber das Ende war auf jeden Fall rund und sehr angemessen für alle.