Rezension

Wow

I walk between the Raindrops. Storys -

I walk between the Raindrops. Storys
von T.C. Boyle

Bewertet mit 4 Sternen

Ich war sehr neugierig auf diese Anthologie, als ich das erste Mal was darüber gelesen hatte, deshalb war ich auch sehr glücklich, als ich bei der Leserunde über Was liest du? Daran teilnehmen durfte. Und auch wenn ich dieses Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen habe, spiegelt dieser Beitrag meine eigene Meinung wider und wurde nicht beeinflusst.
 
Das Cover gefällt mir schon direkt sehr gut, denn diese verlaufenen Wasserfarben passen so richtig zum Titel. 
 
Der Autor
 
Ich habe bisher noch nicht so viel von T.C. Boyle gelesen, aber ich höre immer wieder gutes über seine Romane und das Buch, dass ich bereits gelesen habe (Sprich mit mir) hatte mir damals ausgesprochen gut gefallen. Denn der Autor versteht es sehr gut, mit einer tollen Sprache und einem tollen Stil die wichtigen Aspekte auf den Punkt zu bringen. Und auch in dieser Anthologie steckt immer mehr hinter den Geschichten als man zunächst denkt. Sie arbeiten nach dem Lesen noch im Kopf und manchmal muss man sie auch ein zweites Mal lesen, um den Kern der Handlung zu verstehen.
Interessant fand ich auch, dass alle Geschichten eine wahre Begebenheit in sich bergen und Boyle daraus seine Geschichten gesponnen hat. Ein schmales Buch mit ganz viel Inhalt. 
 
Hat mir besonders gut gefallen
 
Viele der 13 Geschichten sind richtig gut und haben mich nicht nur zum Denken angeregt, sondern auch betroffen gemacht und richtig mitgenommen. Aber da ich hier nicht alle nennen kann, beschränke ich meine Beschreibung mal auf die besten drei für mich.
SKS 750 ist ganz klar mit dabei, denn wenn es um dystopische Ideen geht, bin ich immer sofort dabei. Obwohl mich die Geschichte von dem Sozialen Bewertungssystem etwas an eine Folge aus Black Mirror erinnert hat, war es etwas, was ich mir durchaus vorstellen könnte. Und ja, auch das hat einen wahren Hintergrund, denn in China gibt es bereits Social Scoring, bei dem man mit Punkten für gutes Verhalten belohnt wird. Eine richtig grauenvolle Vorstellung, aber seien wir mal ehrlich, sind die Likes in den Social Media denn was anderes?
Die beiden letzten Geschichten im Buch Die Form einer Träne und Hundelabor haben mich nochmal so richtig betroffen gemacht. Einmal geht es um eine Familie, die sich so auseinandergelebt hat (eine kleine Untertreibung), dass die Eltern ihren Sohn mit einem Räumungsbescheid aus ihrem Haus schmeißen. Das geht so weit, dass es vor Gericht landet. Eine furchtbare Vorstellung, bei der mir die Haare zu Berge standen. Besonders weil sich alle Beteiligten irgendwie die Schuld an allem gaben.
Hundelabor hat mich erschüttert, weil es hier um einen Medizinstudenten geht, der mit seinen Kommiliton*innen an Hunden übt. Das scheint ganz normal zu sein, aber ich fand es einfach nur schrecklich. Genau wie die Freundin des Studenten. Mit ihrer Kritik bringt sie ihn zum Nachdenken und so endet dann doch alles gut am Ende. Das fand ich auch irgendwie einen sehr schönen Abschluss, da viele der Geschichten nicht gerade Happy Ends haben.
Boyle weiß einfach wo genau er den Finger in die Wunde stecken muss um zu schocken und aufzuzeigen, wie menschliches Leben sein kann. Wie gesagt sind diese drei Geschichten nur Beispiele, denn viele weitere Geschichten bleiben nachhaltig im Kopf und arbeiten vor sich hin.
 
Hat mir nicht so gut gefallen
 
Im Austausch mit den anderen kamen immer wieder verschiedene Interpretationsmöglichkeiten der verschiedenen Geschichten auf, deshalb habe ich immer wieder darüber nachgedacht, aber nach dem ersten Lesen blieben mir doch einige Geschichten etwas fern. Dazu gehörte zum Beispiel Big Mary, in der es um Mary geht, die eine wundervolle Singstimme hat, aber nicht richtig ernst genommen wird, weil sie nicht dem Normbild einer Frau entspricht. In der Geschichte hat mir Boyle zu viele verschiedene Themen mit eingebaut und ich wusste nicht, was genau er am Ende von mir wollte. Da war einmal das Bodyshaming, weil Mary etwas dicker ist, aber auch Rassismus ist ein Thema in der Geschichte. Vielleicht wäre es hier besser gewesen, sich auf ein Thema explizit zu konzentrieren. Aber auch Der Schlüssel zum Königreich konnte mich nicht so richtig erreichen. Das Thema scheint wohl Alkoholismus zu sein, aber die Figuren waren mir leider zu unsympathisch und blass, sodass ich nicht genau wusste, was Riley und Frank genau wollten. Vielleicht werde ich das Buch aber nochmal später mit etwas Abstand lesen und kann dann neue Erkenntnisse für mich herausziehen.
 
Fazit
 
Eine wahnsinnig tolle Anthologie, die noch lange nachklingt. Denn die Geschichten brauchen meistens etwas, um ihre volle Wirkung zu zeigen. Man muss unter die Oberfläche schauen, um zum Kern der Geschichte vorzudringen. Nachdem ich mitbekommen hatte, dass einige Geschichten auf einer wahren Begebenheit beruhen, habe ich mich immer nach dem Lesen schlau gemacht und war total fasziniert, dass der Autor bei allen Geschichten etwas Wahres mit eingebaut hat. Das machte es für mich nochmal interessanter. 
Ich kann diese Anthologie nur empfehlen, denn hier hat man ein Buch, zu dem man immer wieder greifen kann.