Rezension

Fesselnd bis zur letzten Zeile

Bellevue -

Bellevue
von Andreas Russenberger

Bewertet mit 5 Sternen

„...Plötzlich und ohne Vorwarnung fiel ein Körper wie aus dem Nichts krachend auf die Tischplatte. Kaffeetassen wurden zu Boden geschleudert und zerbrachen klirrend in ihre Einzelteile...“

 

Die Szene spielt in der Universität Zürich. Spielt ist der richtige Ausdruck, denn dort wird gerade eine Folge des Tatorts gedreht.

Der Autor hat erneut einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Der Schriftstil sorgt für den jeder Zeit hohen Spannungsbogen. Außerdem zeichnet er sich durch gut ausgearbeitete Gespräche aus.

Hauptmann Armand Muzaton und sein Freund Professor Philipp Humboldt sind zum Abschlussessen nach den Dreharbeiten eingeladen. Sie haben ihre eigene Ansicht über den Film.

 

„...Der Mensch ist ständig auf der Suche nach etwas Höherem und Besserem. Was also könnte das Ziel für jemanden sein, der schon alles hat? Vermutlich Unsterblichkeit und ewige Jugend...“

 

Schnell aber werden beide wieder in die Niederungen des Verbrechens geführt. Professor Heegel, dessen Buch die Vorlage für den Krimi war, meldet seine Assistentin Rahel Studer bei Philipp als vermisst. Eine Lösegeldforderung ist schon eingegangen. Vor einem Einschalten der Polizei wird gewarnt. Das aber sieht Philipp anders und wendet sich an Armand.

Mir gefällt, wie genau die Hintergründe der Figuren beleuchtet werden. Hegels Frau stammt aus einem adligen Haus. Das lässt man ihn spüren. Hier kommt auch ein feiner Humor zum Tragen.

 

„...Wie du vielleicht weißt, haben meine Schwiegereltern adlige Wurzeln und residieren in einer schlossähnlichen Villa in Mecklenburg: altes Geld, ein Stammbaum länger als der Ferienstau vor dem Gotthard, das volle Programm. Die Verwandtschaft meiner Frau deckt alle Präpositionen ab: von, mit, zu...“

 

Die Ermittlungen und das Verhalten bei der Lösegeldübergabe werden akribisch geplant. Dann aber ist das Geld weg und von Rahel fehlt jede Spur. An einer anderen Situation geht Priya, einer jungen Polizistin, ein Gedanke durch den Kopf, der auch hier passt.

 

„...Doch wie der Wunsch die Mutter des Gedanken, so ist die Enttäuschung der böse Bruder der Realität...“

 

Am Ende erwartet den Leser eine handfeste Überraschung.

Gut gefällt mir die lokale Verortung der Geschichte. Nicht nur der Schweizer Dialekt, auch Begriffe aus der Appenzeller Gegend sind gekonnt in die Handlung eingeflossen. Gleichzeitig erfahre ich eine Menge über Intrigen und Kompetenzgerangel im Universitätsbetrieb.

Die Geschichte hat mich prima unterhalten. Sie hat alles, was ich von einem fesselnden Krimi erwarte: eine nachvollziehbare Handlung, sympathische Ermittler und Raum für private Befindlichkeiten.