Rezension

Agathes Leidensgeschichte

Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens -

Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens
von Gabriele Reuter

Bewertet mit 4 Sternen

Gabriele Reuter schildert in "Aus guter Familie" den Lebensweg von Agathe Heidling. Sie ist eine Tochter aus guter Familie. Ende des 19. Jahrhd. ist der Lebensweg damit fest und in engen Bahnen vorbestimmt. Sie soll heiraten und Kinder bekommen, Bestimmen und Mitentscheiden ist unerwünscht. Die Geschichte beginnt mit Agathes Konfirmation. Das Fest wird detailliert beschrieben. Für mich war der Einstieg etwas schwer. Auf einen Klassiker mit der Ausdrucksweise seiner Zeit hatte ich mich eingestellt, aber an die rührseligen Gedanken und das devote Verhalten Agathes musste ich mich erst gewöhnen. Agathe versucht es allen recht zu machen und scheitert. Durch ihre Freundin Eugenie wird der erfolgreiche Part als Gegensatz zu Agathe sichtbar, wobei Eugenies "Erfolge" u.a. auch zu Lasten Agathes gehen, somit ist es eine fragwürdige Freundschaft. Die Hilfe, die Agathe in dieser Zeit zu Teil wurde, ist schwerlich als solche einzustufen. Tragisch. 

Reuter schildert Agathes Lebensweg und es ist aus heutiger Sicht schwer zu ertragen, wie es ihr erging. Man erhält bei der Lektüre einen guten Einblick in die Zeit, die Anschauungen und Lebensumstände. Frauen hatten damals nichts zu melden, heute ist dies immer noch verbesserungswürdig, aber deutlich besser. Agathe zerbricht letztlich an den Umständen, das ist schmerzhaft. Obwohl sie mir nicht sympathisch war, habe ich gerne an ihrer Geschichte teilgenommen und mit ihr gehadert. Für die Zeit sicherlich kein untypisches Schicksal. 

Der Reclam Verlag hat mit diesem Buch einen vergessenen Klassiker wiederbelebt. Das Buch erschien 1895 erstmals und machte die Autorin damals berühmt. Schön, dass sie nun wiederentdeckt werden kann. 

Ein lesenswertes Zeitzeugnis, das die Rolle der Frau in der wilhelminischen Zeit gut darstellt.