Rezension

Nicht ganz so stark wie der Vorgänger

Verlorene Sterne -

Verlorene Sterne
von Tommy Orange

Bewertet mit 4 Sternen

Im Grunde ist dieses Buch die Fortsetzung von „Dort dort“ . Es rahmt den Vorgänger ein, erzählt die ganze Geschichte der Familien Bear Shield und Red Feather und gleichzeitig die Geschichte der Ausrottung der Indianer.

Ich musste erst einmal googeln, ob man den Begriff „Indianer“ noch benutzen darf. Er wird in diesem Buch anfangs sehr selbstverständlich benutzt. Tommy Orange passt seine Sprache der Zeit an, in der die Handlung spielt und 1870 waren Indianer noch Indianer, ihr Leben allerdings sehr leidvoll.

Es kommen verschiedene Familienmitglieder zu Wort, die mit tiefer Resignation und auch triefendem Sarkasmus von Vertreibungen, Umerziehungsmaßnahmen, Pogromen und Diskriminierungen erzählen, eine Geschichte von Rassismus im Schnelldurchlauf, finster und erschütternd. Und all diese Geschichten beinhalten auch eine Art Geschichte des Drogenmissbrauchs. Alkohol, Opium oder andere Betäubungsmittel gehören zur indianischen Tradition, werden zu allen Zeiten benutzt, entweder als Trost oder zur Verdrängung aktueller Probleme, aber auch zur Heilung oder zu rituellen Zwecken.

2018 sind wir dann bei Orvil, der nach seinem großen Tanz in „Dort dort“ angeschossen und schwer verletzt im Krankenhaus aufwacht. Tabletten helfen ihm zurück ins Leben und schaffen neue Probleme. Ab da dreht sich alles um Orvils Familie und Freunde, von denen niemand wirklich glücklich ist. Alle haben eine Art Drogenvergangenheit und fühlen sich entwurzelt. Selbst wenn moderne native Americans längst nicht mehr indianische Traditionen leben, scheint etwas an ihnen zu zerren.

Diesen Teil des Buches fand ich schwer zu lesen und etwas zäh. Das Geschehen springt ständig hin und her, es wechseln die Erzähler und die Zeiten. Manchmal erzählt sogar jemand, der im Kapitel davor gerade gestorben ist. Und in Summe passiert nicht wirklich viel. Da ist die Zeit vor dem Tanz und die danach, problematisch ist alles.

Tommi Orange scheibt toll, mit ganz eigener Poesie, viel Atmosphäre aber auch Trauer, durchzogen von finsterem Humor. Er hat ein echtes Anliegen und lenkt Aufmerksamkeit auf die Probleme der native Americans, die heute noch bestehen und nur wenig Beachtung finden. In „Dort dort“ hatte er auch eine originelle Storyline, die hier leider komplett fehlt. „Verlorene Sterne“ ist noch immer ein eindrucksvolles Buch, wirkt neben seinem starken Vorgänger aber ein wenig planlos. Gerne gelesen habe ich es trotzdem.