Rezension

Erinnerungen an die Kindheit in den 1970er-Jahren

Wenn die Welt nach Sommer riecht -

Wenn die Welt nach Sommer riecht
von Herbert Dutzler

Bewertet mit 5 Sternen

In diesem Roman begegnen wir Siegfried „Sigi“ und seiner Familie nach „Die Welt war eine Murmel“ und „Die Welt war voller Fragen“ ein drittes Mal. Er schließt nahtlos an die Vorgänger an. Doch lassen sich alle drei Bücher auch völlig unabhängig voneinander lesen, ohne dass man zuvor einen früheren Band gelesen haben muss. Allerdings brächte man sich um einige köstliche Lesestunden, vor allem dann, wenn man selbst ein Kind der Sechziger-Jahre ist.

 

Zwar lassen sich nicht alle Erinnerungen des 13-jährigen Sigi, der auf dem Land aufwächst, auf Stadtkinder wie mich übertragen, doch teile ich zahlreiche Rückblicke, wie das ständige Rauchen der Erwachsenen. Meine Eltern haben jeweils zwei Packerl Zigaretten geraucht und ich musste meinen Lehrerinnen (reines Mädchengymnasium) immer erklären, dass ich selbst nicht rauche.

 

Sigi beginnt sich langsam für mehr als nur für die Apollo-Mission und Karl May zu interessieren. Mädchen rücken in seinen Fokus. Er erlebt die erste Zigarette und die erste vom Alkohol verursachte Übelkeit. Die Rivalität zwischen seiner Schwester und ihm wird stärker.

 

In der Schule, nunmehr vierte Klasse Gymnasium, stellt er nach wie vor neugierige Fragen, die ihm als ungebührliche Kritik ausgelegt werden. Die Erkenntnis, dass nach wie vor zahlreiche alte Nazis in den Schulen unterrichten, führt auch in seiner Schule zu Schülerprotesten, die es, in unterschiedlichen Ausprägungen, überall gegeben hat.

 

Auch die damaligen gesellschaftlichen Einstellungen innerhalb der Familie, ob Mütter und Ehefrauen „Nur-Hausfrauen“ zu sein haben, oder auch einer Berufstätigkeit nachgehen dürfen, wird an Hand von Sigis Familie sehr gut dargestellt. Sigis Mutter arbeitet Teilzeit in der dörflichen Apotheke, was ihr Mann äußerst argwöhnisch beobachtet. Denn er sieht seine Rolle als „Herr im Haus“ gefährdet, zumal der Apotheker ein allein stehender Mann ist. Sigis Vater greift immer häufiger zur Flasche und fürchtet um seine eigene Bequemlichkeit, wenn er sich das Bier oder die Jause selbst aus der Küche holen muss. Ja, das kenne ich auch aus meiner eigenen Familie sehr gut!

 

Schmunzeln musste ich an die Versuche, Zimmer zu vermieten. Hier kann Sigi erstmals seine Englisch-Kenntnisse und Kochkünste an englisch sprechenden Feriengästen ausprobieren, als die ein englisches Frühstück wollen.

 

Auch die Bezeichnung „Gammler“ für jene Studenten, die keinen militärisch kurzen Haarschnitt getragen haben, habe ich noch im Ohr. Darüber haben sich vor allem meine Großeltern ziemlich aufgeregt.

 

Fazit:

 

Gerne bin ich mit Sigi in die 1970er-Jahre eingetaucht, auch, wenn die eine oder andere Erinnerung für mich persönlich nicht so angenehm gewesen ist. Aber, das ist eine andere Geschichte. Für die von Sigi gibt es jedenfalls 5 Sterne.