Rezension

Zwischen Pflichten und Träumen – Jugendjahre eines großen Schriftstellers

Die Leuchttürme der Stevensons -

Die Leuchttürme der Stevensons
von Sabine Weiss

Bewertet mit 4.5 Sternen

Das Leben des Robert Louis Stevenson in Fakt und Fiktion – ein wundervoller historischer Roman

Wer ist der Mann hinter „Die Schatzinsel“ und „Dr Jekyll & Mr Hyde“? Beide Werke haben mich sowohl bei der Lektüre als auch auf der Bühne fasziniert. Was liegt da näher als einen Blick auf den Autor Robert Louis Stevenson (RLS) zu werfen? Vor allem dann, wenn die historischen Fakten, mit einer guten Portion Fiktion angereichert, in einem so wunderbaren historischen Roman wie „Die Leuchttürme der Stevensons“ von Sabine Weiss verpackt sind.

Auf dem grau-blau gehaltene Cover thront ein Leuchtturm in gefährlich tosender See. Nicht nur wie, sondern eben auch auf dem sprichwörtlichen Fels in der Brandung.   

Der Roman beleuchtet die drei Jahre des jungen „Louis“ während seines Ingenieurstudiums von 1868-71. Insbesondere die Konflikte mit seinem Vater, den Louis nicht zufriedenstellen kann, und sich selbst im Zwiespalt zwischen Pflichterfüllung und der Sehnsucht seinem eigenen Lebenstraum, der Schreiberei nachzugehen, nehmen viel Raum ein. Auch die angeschlagene Gesundheit begleitet RLS durch den Roman und sein ganzes Leben. Geschickt ergänzt Sabine Weiss in Prolog und Epilog auch noch Momente seiner Kindheit und seiner letzten Lebenstage, was hilft die Handlung aus einem etwas differenzierten Blickwinkel zu betrachten.

Besonders stark gelungen sind die sehr intensiven Landschaftsbeschreibungen, bei denen ich förmlich fühlen konnte, wie diese Eindrücke Louis‘ Fantasie beflügeln. Obgleich sich an den biografischen Fakten nicht rütteln lässt, versteht Sabine Weiss es Spannung aufzubauen und aufrecht zu erhalten. So muss man sich als Leser immer wieder fragen, ob insbesondere die überaus brenzlichen Szenen gerade Louis‘ Träumen oder seiner Fantasie entspringen oder sich real ereignen. Sehr hilfreich für die Einordnung in Fakten oder Fiktion ist dabei das ausführliche Nachwort der Autorin. Nur an wenigen Textstellen hätte ich mir eine kleine Straffung zugunsten höherer Dynamik bzw. Dramatik gewünscht.   

Hauptcharakter Louis wächst mit dem calvinistischen Glauben auf, entwickelt sich selbst aber zu einem Freigeist. Als Kind aufgrund seiner vielen lebensgefährlichen Erkrankungen noch liebevoll behütet und gehätschelt, fallen Louis seine Verpflichtungen als Heranwachsender schwer. Er kann und will sich diesen nicht mit der nötigen Intensität widmen. Obwohl Louis ausgesprochen stolz darauf ist, was seine Familie im Leuchtturmbau leistet, sieht er sich nicht in der Lage in die familiären Fußstapfen zu treten. In der heutigen Zeit selbstverständlich, Louis kann sich seine halbherzige Herangehensweise an sein Studium jedoch nur durch die finanzielle Sicherheit seines Elternhauses leisten. Eine Sicherheit, die auch Abhängigkeit schafft, denn sein Vater diktiert die strengen Regeln. Dabei unterscheiden sich Louis Vorstellungen von Pflichtgefühl, Moral und Glaube grundlegend von denen seiner Eltern. Die daraus resultierenden regelmäßigen Konflikte mit seinem Vater belasten Louis schwer. Trotz aller innerfamiliären Widerstände hält Louis stets an seiner Schreibleidenschaft fest. Mit seiner enormen Beobachtungsgabe erkundet er immer wieder das „wahre Leben“ und die Gesellschaft. Statt Standesunterschiede zu machen, begegnet Louis anderen Menschen dabei offen und vorurteilsfrei. Um seine Familie nicht noch mehr zu enttäuschen und großen Differenzen aus dem Weg zu gehen, sucht Louis Kompromisse. Trotz allem Unverständnis füreinander ist die liebevolle Verbindung im Hause Stevenson nicht gänzlich vergessen.  

Mit lebhaften Beschreibungen von Natur und Gesellschaft, dramatischen Spannungsmomenten und dem konfliktbeladenen Familienleben des Robert Louis Stevenson erzählt dieser historische Roman in einem überaus gelungenen Verhältnis aus Fakten und Fiktion den steinigen Weg des berühmten Schriftstellers. Sehr empfehlenswert!