Rezension

Unbefriedgender erster Teil, durchhalten lohnt sich

La Louisiane -

La Louisiane
von Julia Malye

Bewertet mit 3.5 Sternen

Inhalt

In der Pariser Salpêtrière soll 1720 die Superiorin Marguerite eine Liste von 90 Frauen zusammenstellen, die per Schiff in die französische Niederlassung La Louisiane gebracht und dort an französische Männer verheiratet werden sollen. Für die Mehrzahl von ihnen wird die Region des heutigen New Orleans die einzige Tür zur Freiheit sein. Durch Krankheiten und Angriffe der kolonialisierten Natchez ist die Bevölkerung so stark geschrumpft, dass die Kolonie nicht überleben kann, wenn den Siedlern keine Kinder geboren werden. Marguerite, die ihren Posten insgesamt 50 Jahre innehaben wird, weiß, dass die französischen Siedler gesunde Frauen erwarten, die den Haushalt führen, Nahrungsmittel anbauen und Kinder gebären. Sie hat allerdings andere Interessen und muss sich neuerdings den Befehlen des  Polizeipräsidenten beugen. Die Anstalt vom Format eines Stadtteils beherbergt Psychisch Kranke, Waisen, Gefangene, Alte und generell Frauen, die mit unschicklichem Verhalten gegen geltende Normen rebellieren. Für die Unterbringung aufmüpfiger Frauen zahlen deren teils wohlhabende Angehörige. Marguerite, die nach einem halben Jahrhundert Dienst erschöpft wirkt, will schlicht für neue Patientinnen Plätze in der Einrichtung freimachen. 

Die Reise in den Golf von Mexico an Bord des Dreimasters „Baleine“ führt Pétronille, die stets an ihrem hellen Muttermal erkannt werden wird,  mit Geneviève zusammen, die befürchten muss, als Engelmacherin erkannt zu werden, und  mit Charlotte, die mit 12 Jahren sicher nicht die erwartete Rolle ausfüllen wird. Auch Charlotte ist darauf bedacht, unerkannt zu bleiben.  

Den rund 150 Seiten langen ersten Teil fand ich durch zahlreiche Personennamen (von denen man anfangs noch nicht weiß, ob sie für die Handlung wichtig sein werden), ohne Personenliste und ohne Glossar  der französischen und der nautischen Ausdrücke mühselig zu lesen, es sei denn man bringt Grundkenntnisse des Französischen mit. Inhaltlich wirkt dieser Teil durch Zeitsprünge zu umständlich formuliert. Auch die Schilderung der gefährlichen wie  beschwerlichen Reise unter der Fuchtel von drei Ordensschwestern  konnte insgesamt mein Interesse an Schiffsreisen nicht befriedigen. Der Mittelteil umfasst in der Zeitspanne von 10 Jahren die Ankunft der Baleine, Eheschließungen, Umzug an den Wohnort der Ehemänner und Geburt der ersten Kinder. Durch ihre voneinander entfernten Lebensmittelpunkte erfahren die Frauen erst verzögert, wie es ihren Gefährtinnen ergangen ist. Die Schicksale der Frauen verdeutlichen, dass die Frage aus dem ersten Teil nicht trivial ist, welche Fertigkeiten sie aus ihrem Vorleben in die Neue Welt mitbringen, um z. B. zu überleben, wenn ihre Ehemänner früh versehrt werden oder sterben.

Auch diesen Teil fand ich zu verschachtelt. Für die Erlebnisse der Frauen vor ihrer Inhaftierung in der  Salpêtrière hätte eine simple  Chronologie genügt; mir fehlte an einigen Stellen die Differenzierung, ob es sich bei Aussagen um Fakten, Befürchtungen oder Fieberträume (in einer sumpfigen Gegend nicht ungewöhnlich) handelt.  Die Handlung gibt, konzentriert auf Pétronille, Geneviève und deren Familien ein lebendigs Bild des Lebens in der französischen Kolonie zwischen 1721 und 1734.  Hochinteressant wird es im letzten Teil mit dem Auftreten der jungen Indigenen Uto’wv Eco konesel, die in Natchez Pétronille in die Heilkunde ihrer Kultur einführen soll. Die Angabe von nur 3 Frauen im Rückentext sollte mit Blick auf die indigene Figur überdacht werden.  Auch die wiederholten Erinnerungen Genevièves an die Provence und die Seidenraupenzucht ihrer Familie zeigen am Ende ihren Sinn und führen zum angenehm runden Ende einer nicht gerade idyllischen Handlung.

Für den  Anspruch ein historischer Roman zu sein, fehlen dem Buch jedoch Glossar, Namensliste und weitere Quellenangaben. Auch das Korrekturverfahren benötigt noch Schliff, denn einige Fehler klingen nach Diktatur der Autokorrektur.

Fazit

Insgesamt interessieren mich Schauplätze, Figuren und Epoche in “La Louisiane“.  Der erste, umständlich verschachtelte Teil erfordert Durchhaltevermögen,  die folgenden 2/3  konnten mich jedoch fesseln. Leser:innen ohne Französischkenntnisse oder mit der Erwartung, dass ein historischer Roman  alle Fragen beantwortet, rate ich von dem Buch ab.

3 ½ Sterne