Rezension

Der japanische Kafka

Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah - Haruki Murakami

Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah
von Haruki Murakami

Bewertet mit 4.5 Sternen

Dieses Buch habe ich als Hörbuch genossen.

Nein, dieses Hörbuch erzählt nicht von einer großen Liebe – so wie der Titel eventuell suggerieren könnte. Vielleicht erhält der Hörer eine Ahnung davon, dass es sie geben könnte. Aber wer ist schon zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Der Erzähler der ersten und titelgebenden dieser acht unterschiedlich langen Kurzgeschichten hat es jedenfalls verpasst, zur richtigen Zeit den Mund aufzumachen. So bleibt ihm nur weiterhin davon zu träumen, dass ihm dieses 100%ige Mädchen noch einmal über den Weg läuft.

Haruki Murakami ist ein großartiger Erzähler. Er besieht sich Alltäglichkeiten von allen Seiten. So entstehen Geschichten, die zwar nicht unbedingt eine erkennbare Aussage enthalten, nichtsdestotrotz aber eine manchmal wohlige, manchmal etwas irreale Gefühlslage beim Zuhörer auslösen.

Besonders „Das grüne Monster“ und „Der tanzende Zwerg“ haben mich sehr an Kafka erinnert und mir die Haare zu Berge stehen lassen. „Das Schweigen“ macht mit einem Charakter bekannt, der weiß, wie er sich ins rechte Licht setzen und andere damit ins Unglück stürzen kann. Welch Glück, wenn der Geschädigte das früh genug erkennt!

„Der letzte Rasen am Nachmittag“ ist eine der Geschichten, der ich zwar gerne gelauscht habe, deren Aussage mir aber verschlossen blieb. Überhaupt schließt der Autor seine Texte so unmittelbar, dass man sich manchmal einen langsameren Ausklang wünscht. Wie zum Beispiel in „Familiensache“, in der man zwei sehr unterschiedliche Figuren kennenlernt: Bruder und Schwester hausen in einer gemeinsamen Wohnung und haben völlig verschiedene Lebensträume.

Obwohl ich „Das Fenster“ schon zweimal gehört habe, kann ich mich schon wenige Tage später nicht mehr an den Inhalt der Geschichte erinnern, weiß nur noch, dass Inhalt und Titel sehr wenig miteinander zu tun haben. Dieses Nichterinnern ist übrigens ein Phänomen, das ich nur vom Hören kenne. Gelesene Buchstaben bleiben mir viel länger in Sinn. Wobei ich gerade diese Geschichten lieber gehört als gelesen habe.

Alles in allem hat mich dieses Hörbuch so stark angesprochen, dass es mir nicht langweilig wird, es noch mehrmals zu hören. Das liegt unter anderem auch an den sehr angenehmen Sprecherstimmen.