Rezension

1984 für Kinder

Lui - Yvonne Richter

Lui in der Draußenwelt
von Yvonne Richter

Bewertet mit 3.5 Sternen

Auch die jungen Leser werden Isi für ein Paradies halten. Sauber, sicher, durchgeplant. Für die Kinder dort scheint bestens gesorgt zu sein. Unterhaltung, Nahrung, Wissensvermittlung; alles hoch technisiert. Und dennoch wird man das Gefühl nicht los, das in diesem vermeintlichen Paradies etwas nicht stimmt. Auch Lui kommen allmählich Zweifel. Er beginnt, gewisse besorgniserregende Mechanismen zu hinterfragen. Wer gegen die Regeln verstößt oder sonst irgendwie aus der Reihe tanzt, wird hart bestraft oder verschwindet. Menschen werden gnadenlos verwaltet. Was so spaßig im Vergnügungspark begann, wird mehr und mehr zu einer beängstigenden Geschichte von Gefahr und Flucht. Wo ist Wuck? Lui kann nicht anders, er muss wissen, was mit seinem besten Freund passiert ist und so macht er sich auf eine sehr gefährliche Reise ins Ungewisse – in die Draußenwelt. Trotzdem es sich um ein Science-Fiction-Kinderbuch handelt, gibt es doch viele Parallenen zur Gegenwart auf unserem Planeten. Gleichschritt, Indoktrination, Ablenkung durch Action und sonstige Zwangsbeschäftigungen. Für individuelle Belange ist kein Platz. Technik verdrängt die Natur. Viele verfallen einer scheinbar heilen Glitzerwelt. Doch da gibt es noch die anderen, die viel riskieren, um sie selbst zu sein. Sie stellen Fragen, machen sich eigene Gedanken und entdecken so das vielleicht wirklich menschliche in sich, das wirkliche Leben, für das zu kämpfen es sich lohnt. Der so wichtige Blick über den Tellerrand. Eine gelungene Abenteuergeschichte, die für die oft vernachlässigten Facetten des Lebens sensibilisiert und plädiert – Natur, Miteinander, Freundschaft, Individualität, Verständnis und Vertrauen. Lui, mit seinen kantigen Gesichtszügen, der gerunzelten Stirn und den zu Sehschlitzen verengten Augen wirkt nicht gerade sympathisch. So gar nicht wie ein Kind wächst er allerdings auch auf. Doch genau wie er, blicken wir hinter die Fassade und so erkennen wir einen mutigen Jungen mit dem Herzen am rechten Fleck. Er ist auch der Indikator für die jungen Leser. Sie machen alles mit – gedanklich, die Technik ist toll, man ist immer beschäftigt. Auch sie merken nicht gleich, was ihnen vorenthalten wird. Mach dir eigene Gedanken, sonst redet man dir welche ein. Die Geschichte löst einiges aus – Faszination, Skepsis, Spannung und Abenteuerlust; z. B. auch mal weg von der Virtualität der Playstation, hinaus in die Natur und die Realität entdecken. Das ist zwar oft anstrengend oder gar unangenehm, doch keine Technik kann sich mit dieser Wahrhaftigkeit messen. Das mag zwar nicht jeder aus diesem Buch herauslesen, doch der gravierende Unterschied zwischen Schein und Sein, Tatsachen und Tünche wird jedem klar. Es ist nicht leichter, etwas gar nicht zu dürfen, als es vielmehr zu beherrschen, etwas im richtigen Moment zu tun oder zu lassen. Viele charakterfördernde Dinge im Denken und Tun werden den jungen Lesern anhand von Lui´s Geschichte nahegebracht.