Rezension

76 Seiten bis zur ersten Leiche

Das Grab unter Zedern - Remy Eyssen

Das Grab unter Zedern
von Remy Eyssen

Der Rechtsmediziner Leon Ritter lebt und arbeitet (gelegentlich) in Südfrankreich, einem Ort an dem andere Leute Urlaub machen. Nachdem ein toter Mann aus dem Wasser gefischt wird und später noch weiter Leichen auftauchen, bei denen er als einziger davon überzeugt ist, dass sie ermordet wurden und nicht, wie offenbar die französische Polizei annimmt, durch einen Unfall oder Suizid gestorben sind, übernimmt er kurzerhand die Ermittlungen persönlich. 

Er ist umgeben von inkompetenten Männern, die bei der Polizei/in der Rechtsmedizin arbeiten. Das fällt auch als erstes auf: es gibt sehr viele Männer in diesem Kriminalroman, vor allem in Führungspositionen. Ärzte, Polizeichefs, Cafébesitzer etc. Frauen existieren offenbar nur in Form der vorlauten Zieh-Tochter, Kellnerin, Sprechstundenhilfe, verrückten Alten oder eben als Opfer. Die einzige Ausnahme stellt Isabelle, seine Lebensgefährtin dar, die obwohl sie Polizistin ist, nur bedingt in seine ermittlerische Arbeit miteinbezogen wird. 

Die Roman schwankt zwischen den Genres Thriller und Krimi. Für einen Thriller fehlt ihm das Tempo, aber die vielen Leichen, der kurze Zeitraum in dem die Handlung stattfindet, und dass der Ermittler am Ende selbst in Gefahr gerät, sprechen eher für einen Thriller als einen Krimi. Trotzdem plätschern die 480 Seiten so dahin, Spannung kommt nur selten auf. Der erste Tote taucht auch erst auf Seite 76 auf. Eine starke Kürzung hätte dem Buch und vor allem der Leserin gutgetan. 

Leon Ritter weist, worauf sein Name schon hinweist, sehr ritterliche Eigenschaften auf: ein Gentleman, ein aufrichtiger, gerechtigkeitsliebender und treuer Ehrenmann, der Konflikte am liebsten sofort mit Worten löst, keine Vorurteile, außer vielleicht gegenüber Vegetariern, hat, seiner Frau morgens Kaffee ans Bett bringt und bis auf gelegentliche Machoanwandlungen der perfekte Arzt, Vater, (Ehe-)Mann ist. Ein Ritter eben. 

Eine positive Ausnahme stellen die gerichtsmedizinischen Szenen dar. Sie sind anschaulich, verständlich und wissenschaftlich fundiert geschrieben. Sie gehören aber zu den wenigen interessanten Augenblicken des Romans. 

Bei einem Krimi erwarte ich eigentlich vor allem Spannung, ich will wissen, wer wen warum umgebracht hat. Das habe ich hier leider vermisst, weder die Figuren waren interessant, noch der Fall besonders spannend. Der Handlungsort, der durchaus schön beschrieben wird, und die gerichtsmedizinischen Szenen zählen zu den Highlights des Buches. Das Leseerlebnis wäre aber durch eine Kürzung des Romans erheblich verbessert worden.