Rezension

Nicht so stark wie die Vorgänger - Trügerisches Inselidyll

Das Grab unter Zedern - Remy Eyssen

Das Grab unter Zedern
von Remy Eyssen

Le Lavandou ist empört. Paul Simon wird aus dem Gefängnis frei gelassen. Anders als die Staatsanwaltschaft ist weder die Mehrheit des Kommissariats noch der Bevölkerung der Meinung, dass Simon seine Tochter Amélie nicht umgebracht hat. Dann verlangt die übergeordnete Behörde in Toulon, ohnehin die ungeliebte Spielverderberin im kleinstädtischen Polizeialltag, dass der Fall aufgerollt wird, als hätte es die Ermittlung vor Jahren gar nicht gegeben. Das Auftauchen einer Wasserleiche und eines mysteriösen Knochenfragments beschäftigen derweil Gerichtsmediziner Leon Ritter und legen eine Spur auf die paradiesisch anmutende kleine Insel Porquerolles. Parallel muss er sich dazu mit einem hilfreichen Kollegen befassen, der künftig mit ihm gemeinsam die Gerichtsmedizin in Saint Sulpice leiten soll, was ihm naturgemäß so überhaupt nicht in den Kram passt. Zum Glück für Leon scheint sich der neue Kollege jedoch häufiger bei sonstigen Verpflichtungen als im Labor aufzuhalten, nicht ohne trotzdem gehörigen Schaden anzurichten. Irgendwann wird klar, die kleine Insel vor der Küste birgt wohl mehr als ein Geheimnis und all die merkwürdigen Funde und Todesfälle haben alle einen gemeinsamen Nenner. Capitaine Isabelle Morell und Leon Ritter ermitteln fortan wieder in gemeinsamer Absicht, denn es gibt plötzlich einen entscheidenden Hinweis: war Paul Simon tatsächlich unschuldig?

Dieses Mal hat Leon Ritter dann doch fast 2/3 der Gesamtstrecke gebraucht, um mich endgültig mit zu nehmen und am Ball zu halten. Vorher plätscherte für mich die Geschichte mehr oder minder interessant vor sich hin. Als die Ereignisse auf Porquerolles dann in Gang kamen, fesselte der Krimi mich dann in der gewohnten Weise und führt so dann doch noch zu einem insgesamt positiven Fazit. Die Parallelen zu realen Fällen der letzten Jahre sind unübersehbar, aber doch wieder neu und anders umgesetzt, sehr gelungen.

Gestört haben mich allerdings massiv, dass auch in diesem Buch mal wieder Fehler jenseits von „Tippfehlern“ (keinen statt kleinen (S. 116, letzter Satz) , einmal dejeuné (S. 256) statt sonst immer dejeuner trotz in beiden Fällen grammatikalisch gleicher Konstruktion) – und selbst deren Existenz finde ich in einem doch mehrfach korrigierten und lektorierten Roman eines Verlages mit der entsprechenden Infrastruktur (im Gegensatz zu einem Selfpublisher z.B.) fragwürdig. Aber wenn in einem Absatz der Fotograf plötzlich Larry heißt (S.75), obwohl es drei Seiten um Lenny ging, der auch wundersamerweise zwei Sätze weiter auch seinen korrekten Namen zurückerhält, dann möchte ich das Buch in die Ecke pfeffern. Hab‘ ich nicht getan. Aber wutentbrannt erstmal aufgehört zu lesen. Mich nervt das und es ist mir im letzten halben Jahr mehrfach in Exemplaren renommierter Verlagshäuser untergekommen. Zumal ich sicher bin, dass ich kein unkorrigiertes Leseexemplar erhalten habe, sondern die reguläre erste Ausgabe, so ist es zumindest im Buch vermerkt, sehr sehr ärgerlich. Das ich darüber hinaus ein massives Problem mit dem Namen Paul Simon hatte (ich lese diesen Namen automatisch mit englischer Aussprache und der Vater von Amélie sah vor meinem inneren Auge einem mittlerweile gealterten amerikanischen Popstar doch verblüffend ähnlich) ist zu vernachlässigen, wobei ich auch dies vermeidbar fände. Alles in allem haben mich weit mehr formale Dinge gestört als inhaltliche.

Fazit: fesselt leide nicht so wie die letzten Fälle von Leon Ritter, aber welche Reihe gibt es, die ohne kleine Wellentäler daherkommt? Vielleicht kein Band, der neue Fans der Reihe kreiert, aber auch keiner, der bisherige verschreckt. Noch immer ein sehr guter Regionalkrimi mit interessanten Protagonisten. A bientôt à Le Levandou.