Rezension

Abrechnung

Wenn die Nacht am stillsten ist - Arezu Weitholz

Wenn die Nacht am stillsten ist
von Arezu Weitholz

Bewertet mit 2.5 Sternen

Eine junge Frau sitzt am Bett ihre Freundes, welcher eine Menge Schlaftabletten genommen hat. Sie ruft aber keinen Notarzt, sondern erzählt ihm ihre Geschichte, ihre Gedanken. Diese Gedanken sind nicht positiv, nein sie macht ihrem Freund viele Vorwürfe. An diesem Tag hatte sich Ludwig von ihr getrennt, ohne Angabe von Gründen, einfach so. Verhält sich ein Mensch so wie Anna? Was stimmte nicht am Verhältnis der beiden, dass sie ihm dieses nicht erzählen konnte, bevor er die Tabletten eingeworfen hatte?

Wenn man dann weiterliest, erfährt man sehr viel mehr über das Verhältnis der beiden.

Anna stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Der Vater beging Selbstmord, die Mutter lebt in einem Pflegeheim. Anna war überall in der Welt unterwegs. Um sich selbst zu finden? Um ihrem Umfeld zu entfliehen? Jetzt arbeitet sie bei einer Zeitung. Die Kollegen leben in einer anderen Welt. Es herrscht eine seltsame Atmosphäre unter diesen Kollegen. Alle sind nur von Konsum und Aussehen geprägt und sind absolut oberflächlich.

Heraus ragt Ludwig, der sein Anderssein ganz besonders pflegt.  Man hat den Eindruck, dass alle nur bei ihm in einem guten Licht stehen wollen. Ludwig stammt aus besserem Hause, hat dort aber offensichtlich keine Wärme erhalten. Er ist sehr ordentlich, wahnhaft ordentlich. Obwohl er sich sehr gestört verhält, verliebt sich Anna in ihn. Sie versucht es, ihm alles recht zu machen, auch wenn er sie beleidigt. Dabei will er eigentlich keine Beziehung, dafür ist er zu egozentrisch.

Ludwig bestimmt die Themen über die gesprochen werden darf, bestimmt die Meinung, die Anna haben darf. Anna nimmt ihm zuliebe ab. Sie verleugnet ihre Persönlichkeit. Es darf auch keiner wissen, dass die beiden sich regelmäßig treffen. Wer ist schuld, dass diese Beziehung, die eigentlich gar keine Beziehung ist, so abläuft? Ludwig, weil er so ist wie er ist? Oder Anna, weil sie sich selbst verleugnet.

Das Buch ist gewiss keine leichte Kost, nichts was man mal so zur Unterhaltung runterliest. Und doch konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Es ist spannend mitzuerleben, wie Anna in diese Situation gekommen, dass sie so einfach neben dem sterbenden Ludwig sitzen kann und ihm alles erzählt, was sie acht Monate lang nicht aussprechen durfte. Es geht um Kälte in der Gesellschaft, Konkurrenz im Arbeitsleben, Lebensinhalt und Liebe.