Rezension

Adel der Seele

Maria, Kaiserin von Russland - Marianna Butenschön

Maria, Kaiserin von Russland
von Marianna Butenschön

Bewertet mit 5 Sternen

Tolle Bio einer begabten Künstlerin, Politikerin und Kaisermutter. Informativ, aufschlussreich, bemerkenswert. Eine klare Leseempfehlung!

Eine beachtenswerte Biografie von Kaiserin Maria Fjodorowna (1759-1828, geb. Sophie Dorothea von Württemberg) auf 330 Seiten, verteilt in 16 Kapitel á 20-23 Seiten plus zwei extra Kapitel: eine Zusammenfassung ihres Lebenswegs auf elf Seiten zu Anfang und eins zum Schluss, das das Schicksal von Pawlowsk, Vermächtnis der Kaiserin, nach ihrem Tod über die Jahre der Revolution von 1917, den zweiten Weltkrieg 1941-1945 bis ins 1993 beschreibt, als die Stadt zu UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde. Das Buch enthält auch ein Glossar, ein Personenverzeichnis, eine Zeittafel 1754-1828 der wichtigsten historischen Ereignisse, ausführliche Auflistungen der Quellenangaben, Bibliografie und zwanzig Bilder.

Das Werk fängt mit der Kindheit von Dorothea, als Kind Dortel und Dörtchen genannt. Interessant sind die Beschreibungen der Umstände, wie die zukünftige Kaiserin aufwuchs. Auch von ihren Eltern und Familie insgesamt liefert Marianna Butenschön aufschlussreiche Fakten der damaligen Zeit. Spannend, wie die Brautschau sich gestaltete, wie die Überzeugungsarbeit verlief, wie Dortel letztendlich ausgewählt, nach Russland verheiratet wurde und wie ihr Leben als Großfürstin und Mutter begann.

Parallel zu ihren familiären Verpflichtungen war Maria Fjodorowna aber auch die Bauherrin von Pawlowsk, lud Architekten und Baumeister ein, organisierte die Finanzierung, etc. damit ihr Werk stehen und die schönen Künste in sich vereinen konnte. Besonders aufschlussreich fand ich die Kapitel, in denen ums Kunstgeschichtliche ging: Maria und Paul reisten durch Europa, besuchten die Regenten, ließen sich mit Musik, Theater, Dichtung, etc. verwöhnen, z.B. in Wien spiele Mozart und Clementi um die Wette für das Großfürstenpaar, in Paris lud Maire Antoinette zu Comedie Francése, Theater, Oper, Konzerten und Balettaufführungen, Essen in Versailles, Besuch von Notre Dame, etc. ein. Und überall auf dem Weg durch Europa wurden Kunstgegenstände gekauft, die später die prachtvollen Paläste in Pawlosk und Gattchina schmücken würden. Kapitel 5, Die Grand Tour, berichtet ausführlich über diese Reise. Im Kapitel 14, Nachkriegsjahre, regiert die Kaisermutter an der Seite ihres ältesten Sohnes Alexander I und frönt ihrer Liebe zur Kunst. Viele bekannte Name fallen: Schukowskij, Karamsin, Puschkin, Krylow, etc. Die damit einhergehenden Details wie kleine Geschichten sind bemerkenswert wie aufschlussreich.

Maria Fjodrowna war auch selbst eine geschickte und begabte Künstlerin. Ihre Zeichnungen, die Arbeiten in Jaspis, z.B. Kamee von Katharina II als Minerva, die Goldmedaille für Alexander I, und natürlich Pawlowsk als Kunstwerk deren Bilder im Buch enthalten sind, liefern einen überzeugenden Beweis dafür.

Nicht nur die Geschichte Russlands wird in diesem Werk beleuchtet, auch viele Ereignisse der europäischen Geschichte und v.a. der Kulturgeschichte sind mit hineingeflossen.  Es wird klar, dass die Geschichte Russlands seit Jahrhunderten mit der Geschichte der gesamten Europa eng verwoben ist. Auch die vielen Ehen der Kaiserkinder mit den Söhnen und Töchtern der europäischen Regenten haben diese Bunde gefestigt.

In dieser Biografie wird ein bewegendes, ereignisreiches Leben einer außergewöhnlichen Frau vor Augen geführt, faktengetreu und unterhaltsam zugleich. Es ist dicht erzählt, wirkt aber nicht überladen. Man erlebt, wie Maria gelebt hat, was sie gefreut, getrübt und bewegt hat. Zitate aus ihrer Korrespondenz und der vieler anderen historischen Persönlichkeiten erlauben tiefere Einblicke in die damalige Zeit: Es gibt Ausschnitte aus den Briefen von Maria, Katharina II, Paul I, Alexander I, uvm. Auch ein kurzer Ausschnitt aus Mozarts Brief zu seinem Vater hat seinen Weg in dieses Werk gefunden. Flair der Zeit erlebt man in diesem Werk hautnah, man hat die Möglichkeit zu erfahren, wie diese Menschen dachten, wie sie ihre Gedanken zum Ausdruck brachten, was für sie wichtig war.

Der historische Stoff, mit vielen Quellenangeben belegt, wurde geschickt mit spannenden Details und z.T. Anekdoten ausgeschmückt, sodass die Lektüre mich vollends in ihren Bann geschlagen hat und am Ende denken ließ: Was für eine Frau, was für ein Leben! Zehnfache Mutter, die die Hälfte ihrer Kinder sterben sah, Kaisermutter, Politikerin, Mäzenin und selbst eine anerkannte Künstlerin, und last but not least die Erschafferin vom späteren Weltkulturerbe Pawlowsk.

„Adel der Seele“ wurde Maria Fjodorowna mal, noch in ihren jungen Jahren, genannt. Nach der Lektüre kann man diese Bezeichnung auch selbst bestätigen und nachvollziehen, dass es dem so war.

Ich habe schöne wie erfüllte Lesestunden mit diesem Werk verbracht. Es hat mich amüsiert, Freude bereitet, auch einige traurige Dinge offenbart, tiefere Einblicke in die europäische Geschichte wie Kunstgeschichte gewährt. Ich habe die Zeit mit diesem Buch sehr genossen. Es kann als Einstieg in die Materie oder auch als Referenz/Nachschlagewerk dienen.

Diese Biografie von Maria Fjodorowna, Kaiserin von Russland, wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Ich lese gerne auch weitere Werke von Marianna Butenschön und vergebe die wohl verdienten 5 Sterne.