Rezension

Alles Shakespeare

If We Were Villains. Wenn aus Freunden Feinde werden -

If We Were Villains. Wenn aus Freunden Feinde werden
von M. L. Rio

Bewertet mit 4 Sternen

Sieben Studenten haben es in den Abschlussjahrgang des Dellecher Colleges für Schauspielerei geschafft. Sechs von ihnen stehen vor einem See, während die Leiche des siebenten Studenten zu ihren Füßen treibt. Wie entscheiden sie sich?

„If We Were Villains“ ist ein Spannungsroman, der sich vor Shakespeares Werken verbeugt und den Dramen von einst ein modernes Gesicht in der Gegenwart verleiht.

Bei diesem Buch zögerte ich, weil es schwierig abzuschätzen war, ob es meinen Lesegeschmack trifft. Die Leiche im See, eine eingeschworene Gemeinschaft aus Studierenden und der Hauch von Düsternis, den der Titel verspricht, lockten mich. Dennoch hat der Bezug zum Theater und Shakespeare Staub angesetzt. Ich war mir unsicher, ob mir eine Geschichte dieser Art gefällt. Oft ist es gut, wenn man über den eigenen Schatten springt, denn „If we were villains“ war es definitiv wert.

Es geht an das Dellecher College, eine Kunstakademie, die sich rein mit Shakespeare befasst. Deutlich wird, dass am College eine eigene Realität existiert. Das Theater ist allgegenwärtig. Es zählt ausschließlich, welche Rolle man als Nächstes erhält, die Vorbereitungen für die Aufführungen, und wie man dem größten englischen Dichter, Theaterunternehmer und Schauspieler gerecht werden kann.

Der Alltag am Campus ist anschaulich und interessant beschrieben. Der Einblick in die Schauspiel- bzw. Kunstakademie hat mich gepackt und die Ausbildung hat mir imponiert. Ich erhielt einen Eindruck, wie viel Kraft, Können und Ausdauer hinter einer Aufführung stecken.

Sieben Studierende haben es in das Abschlussjahr geschafft und bereiten sich auf ihr großes Finale vor. 

„Wie sieben Geschwister hatten wir so viel Zeit miteinander verbracht, dass wir unsere besten und schlechtesten Seiten kannten und uns von beidem nicht beeindrucken ließen.“ (S. 31, eBook)

Obwohl sie als eingeschworene Gemeinschaft auftreten, ist früh spürbar, dass etwas im Argen liegt. Als kollegiale Rivalität im tödlichen Fiasko endet, stehen die sechs Verbliebenen vor einer Wahl: Geht das Stück weiter oder fällt der Vorhang?

Die Geschichte ist in fünf Akte unterteilt, wie es der Theaterwelt entspricht. Eingangs tritt man in College-Welt und wird relativ rasch mit dem Auffinden der Leiche konfrontiert. Danach heizt sich die Stimmung durch das Geschehen an, während sie im vierten Akt abflaut, um am Ende eher sanft auszuklingen. 

Die Handlung könnte niemals auf diese wuchtige Weise existieren, wenn die Shakespeare-Besessenheit der Studierenden nicht im Mittelpunkte stünde: Sie lernen Shakespeare, sie lesen Shakespeare, sie reden wie Shakespeare und zu guter Letzt spielen sie Shakespeare. Die Bretter, die die Welt bedeuten, sind das einzig Wichtige, das zählt.

Wenn ich schreibe, dass die Studenten wie Shakespeare sprechen, dann ist es wortwörtlich zu nehmen: Tatsächlich findet manche Unterhaltung aus einer Aneinanderreihung von Shakespeare-Zitaten statt. Obwohl ich Theater und Lyrik weniger mag, heizen die eingeflochtenen Verweise die Stimmung an. Sie untermalen das Geschehen, unterstreichen die Emotionen der Charaktere und geben ein Gefühl für die Welt, von der die Studierenden besessen sind.

Besonders imposant fand ich Theaterstücke, die von den Studierenden umgesetzt werden. Niemals, wirklich niemals, hätte ich erwartet, dass mir eine Theateraufführung beschrieben in einem Roman gefällt. Beim Lesen dachte ich mehrmals: „Wow! Was für eine Show!“. 

Dennoch gibt es etwas Kritik von meiner Seite, die keinesfalls das Gesamtvergnügen mildert. Die Figuren wirken schwammig. Es gibt sogar einen Charakter, der so zum Beiwerk verkommt, dass ich mir nicht sicher bin, wozu er überhaupt gebraucht wird. Zudem kommt, dass manches nicht logisch erscheint, wobei es sich mit etwas gutem Willen und einer bemühten Argumentation ins rechte Licht rücken lässt.

Unterm Strich bin ich begeistert von diesem ungewöhnlichen Werk. Das dramatische Schauspiel am Dellecher College war für mich ein wahrer Genuss, und ich bin sehr froh, dass ich mich Shakespeares Schurken gewidmet habe.