Rezension

Anders als erwartet

Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken
von John Green

Als der Milliardär Russel Pickett verschwindet, weil die Polizei hinter ihm her ist, und eine Belohnung von hunderttausend Dollar auf den Flüchtigen ausgesetzt wird, gibt es in Aza Holmes‘ Schule kein anderes Thema mehr. Als sich herausstellt, dass Aza Picketts Sohn Davis noch aus Kindertagen kennt, lässt sie sich von ihrer besten Freundin Daisy überreden, den Kontakt zu Davis wieder aufleben zu lassen, obwohl sie sich zu Anfang nichts aus der Verbrecherjagd macht. Viel mehr ist sie mit ihren ständigen Angstzuständen beschäftigt, da sie konstant fürchtet, mit einem tödlichen Darmkeim infiziert zu werden. Zwar weiß sie, dass sie ein ernstzunehmendes Problem hat, aber ausstellen kann sie ihre Gedanken leider trotzdem nicht – auch nicht, als sie Davis wider Erwarten viel näherkommt als gedacht…

Die limitierte Erstauflage von „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ kommt mit einem Wendecover daher, welches eine hellblau-orangene und eine violett-orangene Seite besitzt. Die violette Coverversion passt optisch perfekt zu den bisher bei Hanser erschienenen John-Green-Romanen und greift mit der psychedelischen Spirale darauf perfekt das Bild von Azas Gedankenstrudel auf. Die hellblaue Coverversion wirkt dafür etwas frischer und weniger beschwert.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive der Protagonistin erzählt, was einen besonders detaillierten Einblick in ihre Gefühlswelt erlaubt und es dem Leser erleichtert, sich mit ihr zu identifizieren. Der Schreibstil ist größtenteils sehr flüssig, jedoch wirken einige Dialoge ein bisschen abgehackt, da es nur wenige „Verbindungen“ zwischen den direkten Redeteilen gibt, was einen zu Beginn manchmal kurz stocken lässt.

Die Charaktere, vor allem Aza, sind dafür wirklich gut ausgearbeitet – jeder hat seine ganz bestimmten Hobbies und vor allem auch Macken, die ihn oder sie echt erscheinen lassen. Besonders in Aza kann man sich hervorragend hineinversetzen, denn die detaillierten Beschreibungen ihrer Zwänge, zum Beispiel, eine Wunde an ihrem Finger immer wieder zu öffnen, desinfizieren und mit einem neuen Pflaster abzudecken oder sich gar den Mund zu desinfizieren, machen den Leser irgendwann genau so wahnsinnig wie Aza selbst: Man ist zu Tode genervt, diese Prozedur nun schon wieder mitzuerleben, doch genau so muss es sich für die Protagonistin ebenfalls anfühlen, denn auch sie ist genervt von ihrem eigenen Verhalten, kann aber nichts dagegen tun.

Etwas unglücklich gewählt finde ich daher allerdings den deutschen Titel, denn er verspricht genau das, was Aza trotz allen Bemühens niemals wirklich schafft: ihren fiesen Gedanken Gute Nacht zu sagen.

Insgesamt handelt es sich bei "Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken" um ein sehr interessantes Jugendbuch, in dem die Auswirkungen einer Zwangs- und Panikstörung auf das Leben eines Menschen sehr sensibel thematisiert werden. Leider gerät die Suche nach dem verschwundenen Milliardär und das Abenteuer, das damit einhergehen sollte, relativ schnell in den Hintergund, weshalb das Buch nicht ganz hält, was der Klappentext verspricht - so ist die erzählte Geschichte zwar interessant, aber schlicht etwas anders, als der Klappentext vermuten lässt.