Rezension

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Armer schwarzer Kater – Should I stay or should I go now?

Reserve -

Reserve
von Prinz Harry

Über dieses Buch reden zurzeit alle!

Es gibt schon unzählige Bücher über die Mitglieder des englischen Königshauses. „Reserve“ ist die Autobiografie eines Abtrünnigen, der sich mit den Royals angelegt hat. Er hat sich mit vielen Menschen angelegt und es sich mit einigen vielleicht nun endgültig verscherzt. Es ist die Geschichte von Prinz Harry, inzwischen ziemlich weit unten auf der Liste der Thronfolger, falls er überhaupt noch draufsteht.  Alle Welt redet gerade von diesem Buch, weswegen ich es einfach lesen musste.

Cover und Schreibstil:

Das Cover von „Reserve“ ist unspektakulär, aber natürlich typisch für eine Autobiografie. Es zeigt ein einfaches Porträt von Prinz Harry.

Prinz Harrys Schreibstil ist gut zu lesen. Es gibt viele eher kurze Kapitel, so dass man die 502 Seiten schnell hinter sich bringt. Ein bisschen verleidet wurde mir der Schreibstil, als ich erfuhr, dass da auch ein Ghostwriter mitgemischt hat. Muss das sein? Der Text leidet ja schon durch die Übersetzung ins Deutsche, und dann ist es nicht mal Prinz Harrys eigener Text?

Mir fehlen bei „Reserve“ zwei wichtige Dinge: zum einen hätte ich mir noch viel mehr Fotos gewünscht, zum anderen wäre auch eine Karte, in der die verschiedenen Wohnsitze der Royals vermerkt sind, zur Orientierung hilfreich gewesen.

Fazit und Leseempfehlung:

Ich frage mich oft, wie man auf die Idee kommt, schon mit nicht mal 40 Jahren eine Autobiografie zu schreiben. Ist das Leben mit 40 etwa schon vorbei? Erwartet man, dass nichts Spektakuläres mehr passiert? Oder plant man im Geheimen schon eine Fortsetzung mit den nächsten 40 Jahren, um weitere Millionen mit dem Verkauf zu verdienen?

„Reserve“ hat meine Erwartungen leider nur zum Teil erfüllt.  Auf den ersten rund 140 Seiten hatte ich noch das Gefühl, in die Geheimnisse der Familie rund um Prinz Harry einzutauchen.

Gleich zu Beginn des Buches gibt es eine Stelle, die kurz ist, aber doch so viel aussagt:

„Wir trafen uns in der Mitte des Pfads. Willy? Pa? Hallo.

Harold.

Schmerzlich reserviert.“ (Hardcover, S. 15) 

In diesen paar Zeilen steckt so viel kindlicher Schmerz, dass es einem beim Lesen fast schon selbst körperlich wehtut. Auch die im Buch ausführlich beschriebene berühmte Szene bei der Beerdigung Dianas, als Prinz William und Prinz Harry gezwungen wurden, hinter dem Sarg herzulaufen, hat mich zutiefst berührt. Dann aber beginnt mit Kapitel 53 seine Zeit beim Militär, und ich kam aus dem Gähnen zunächst nicht mehr heraus.

Bei allem Respekt für alle, die in den Kriegsgebieten im Irak und in Afghanistan für den Frieden gekämpft haben, waren mir Prinz Harrys Schilderungen über seinen Militäreinsatz einfach zu lang. Ich verstehe, dass es sich um einen wichtigen Lebensabschnitt für Prinz Harry handelte, aber will man wirklich en détail wissen, wie man einen Hubschrauber fliegt? Ich habe sogar überlegt, den gesamten Teil über Prinz Harrys Militärkarriere zu überblättern. Dann aber hätte ich mehr als das halbe Buch nicht gelesen. Also habe ich mich durch die Seiten gequält, immer wütender darüber, was mir hier geboten wurde.

Der dritte und letzte Teil des Buches versöhnte mich wieder ein kleines Bisschen. Es geht in diesem Teil vor allem um Harrys Beziehung zu seiner Ehefrau Meghan, unter anderem darum, wie sie sich kennen gelernt haben. Es geht aber auch um  ihren Kampf gegen die Medien und darum, dass sie sich von der englischen Monarchie im Stich gelassen fühlen. Die Schilderung der Ereignisse nach dem Tod der Queen ganz am Ende des Buches war beeindruckend und ging mir sehr nahe. In diesem letzten Teil von „Reserve“ geht es meiner Meinung nach richtig zur Sache. Was davon wirklich wahr ist, werden wir vermutlich nie erfahren.

Kommt Prinz Harry trotz all der bewundernswerten Selbstreflexion vielleicht am Ende ein bisschen zu gut weg? Ich weiß es nicht. Letztendlich möchte dies ja jeder, der seine Memoiren veröffentlicht.  Unterm Strich möchten bestimmt viele von uns ihr eigenes Leben mit Harry Leben tauschen. Dieses Leben bietet doch so viele „royale“ Möglichkeiten! Die wenigsten Schicksale sind durchweg einfach, aber genug Geld zu haben, macht Vieles erträglicher, oder?

Das Buch hat für mich persönlich insgesamt gesehen zu wenig wirklich Neues geboten. Für die paar netten Anekdoten und „Geheimnisse“ über verschiedene Mitglieder der königlichen Familie, haben sich die über 500 Seiten Lektüre nicht wirklich gelohnt. Die Veröffentlichung des Buches hat weltweit einen wahren Medienrummel ausgelöst. Ich habe leider das Gefühl, über die Medien, mehr zu erfahren als in dem Buch selbst. Dies muss man als Autor erstmal schaffen, ich gratuliere!

Nach der gründlichen Lektüre dieser umfangreichen Autobiografie, die durch den Ghostwriter am Ende dann doch nicht so real ist, wie man ich es mir im Vorfeld erhofft hatte, bleibt bei mir leider ein schaler Beigeschmack übrig. Ich bin sehr gespannt auf weitere Reaktionen der königlichen Familie.

„Reserve“ wird zu den meistverkauften Büchern des Jahres gehören. Dies ist nach wenigen Tagen eigentlich schon sicher. An der englischen Monarchie und der Dreistigkeit der Paparazzi wird das Buch leider nichts ändern, da hilft auch alles Jammern nicht.

Ich vergebe für „Reserve“ drei Punkte und empfehle das Buch natürlich allen Fans der Royals und allen, die sich für das aktuelle Zeitgeschehen interessieren.

Die Dauerleserin

Anmerkungen:

"Reserve" wurde von Stephan Kleiner, Katharina Martl, Johannes Sabinski, Anke Wagner-Wolff und Alexander Weber ins Deutsche übersetzt.

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 16. Januar 2023 um 11:58

Hast du wirklch gedacht, Harry hätte dieses Buch selber geschrieben? Das wäre ja so etwas wie echte Arbeit gewesen. Das kann Harry leider nicht, also ein Buch schreiben. Und natürlich will er einen Folgeband herausbringen- von irgendwas muss er ja seinen exklusiven Lebenswandel finanzieren.

LESERIN kommentierte am 24. Januar 2023 um 12:05

Ist doch bei Promi-Biographien Usus. Hat jemals ein Promi selbst etwas geschrieben?!