Rezension

Subjektiv, aber vieles nachvollziehbar

Reserve -

Reserve
von Prinz Harry

Bewertet mit 3.5 Sternen

Prinz Harry und seine Ehefrau Meghan sind umstritten. Jeder weiß um den Skandal, als beide England und dem Königshaus den Rücken kehrten und dank des berühmten Interviews mit Oprah, dieser Biografie und ihrer eigenen Netflix-Serie nimmt die Berichterstattung auch nicht ab. Jeder bildet sich ein, zu wissen, was vorgefallen ist. Jeder steht entweder auf der einen oder der anderen Seite und für viele ist das Thema bis heute topaktuell.

 

Ich habe nie zu denen gehört, die sich sonderlich für Promi-Klatsch interessiert haben. Ich habe nicht jedes Royale Event im Fernsehen verfolgt. Aber auch ich kam an dem Thema nicht vorbei.

 

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Biografie lesen möchte, aber letztlich überwog für mich das Bedürfnis, zumindest eine Seite anzuhören, da es nicht möglich ist, sich über beide zu informieren, da die andere Seite schweigt, wie sie es immer tat und wie es von ihr erwartet wird.

 

Prinz Harry erzählt in diesem Buch seine Geschichte und die begann nicht erst mit Meghan. Es ist eine Geschichte voller Vorwürfe – an die eigene Familie, aber vor allem in Richtung der Presse –, voller Missverständnisse und dem Gefühl nicht als der gesehen und geschätzt zu werden, der man ist. Es geht um alte Wunden, die nie ganz verheilt sind, um das öffentliche Interesse, das kein Maß mehr kennt und einen Mann, dessen Sehnsucht nach seiner Familie – aber seiner Familie zu seinen Bedingungen – in beinahe jeder Zeile herauszulesen ist.

 

Es ist seine Geschichte – sie ist nicht objektiv. Harry erzählt hier, wie er Dinge empfunden hat, wie er sich an sie erinnert, wie sie bei ihm angekommen sind. Die Frage bleibt bestehen, wie wohl sein Bruder das alles sieht, oder sein Vater, aber diese Seite der Geschichte schweigt. Fest steht, dass dieses Buch voller Vorwürfe steckt und die Brücken zwischen beiden Seiten noch mehr zerstört hat. Aber wenn man liest, wie sehr Harry schon als junger Mann unter den Lügen der Presse gelitten hat und vor allem darunter, sie nicht klarstellen zu dürfen, sondern hinnehmen zu müssen, kann man auch verstehen, wo das Bedürfnis herkommt, endlich mit all dem aufzuräumen.

Und genau das tut er. Das eigentliche Buch beginnt nach einem weiteren gescheiterten Gesprächsversuch mit dem Tod seiner Mutter und führt durch Harrys weiteres Leben, das geprägt davon ist, was die Öffentlichkeit denkt. Die Presse, die Schlagzeilen erfindet und Fehltritte ausschlachtet, die ihm einen Ruf eingebracht hat, der teilweise nicht weiter von seinem Selbstverständnis entfernt sein könnte.

 

Behält man all dies im Hinterkopf und auch wie die Presse einst Jagd auf seine Mutter machte und dass er den Paparazzi bis heute die Schuld an ihrem Tod gibt, kann man verstehen, was ihn letztlich dazu bewog mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn England zu verlassen. Das Trauma sitzt tief und wird ihn wohl auch nie verlassen.

 

Kritisch zu sehen sind allerdings die Vorwürfe gegenüber seiner Familie – wie gesagt, das ist alles seine Sicht der Ereignisse, die andere Seite fehlt und kann sich nicht verteidigen. Was mich persönlich beim Lesen sehr gestört hat, waren zum einen Erzählungen über Dinge, die bei mir in die Kategorie „Warum erzählt jemand so etwas?“ fallen und lange Kapitel über seine Militärzeit. Ich, als Tochter eines pensionierten Bundeswehroffiziers, kann sehen warum er dafür auch von Seiten des Militärs kritisiert wurde. Einiges davon hätte er nicht erwähnen müssen und manches vielleicht auch schlicht nicht sollen, wenn man bedenkt, dass er damit auch andere Soldaten in Gefahr gebracht haben könnte.

Andererseits muss man auch verstehen, wie wichtig und prägend für ihn die Zeit beim Militär und im Krieg war. Und da es sich hier um seine Biografie handelt, muss sie einen entsprechenden Stellenwert einnehmen.

Nur war es mir persönlich einfach zu viel davon.

 

 

Fazit: Mein persönliches Fazit dieses Buch ist, dass mir Prinz Harry sehr leidtut. Er musste viel einstecken und wurde als Kind durch den Tod seiner Mutter geprägt und meiner Meinung nach auch traumatisiert. Das alles sitzt tief und da er auch in seiner Jugend die Presse vor allem negativ erlebt hat, kann man verstehen, warum er letztlich handelte wie er es tat. Woher dieses Bedürfnis, sich zu äußern kommt. Es war ihm immerhin stets verwehrt worden Stellung zu beziehen und sich zu verteidigen oder etwas klarzustellen.

Man merkt in beinahe jeder Zeile wie sehr er sich nach seiner Familie sehnt, aber auch, dass er sich nach seiner Familie zu seinen Bedingungen sehnt, die so fürchte ich, wohl nie erfüllt werden.

Kritisch zu sehen sind zum einen seine Aussagen über Familienmitglieder, seinen Drogenkonsum, seine Militär- und Kriegszeit und den Bruch mit der Familie. Das alles spiegelt seine Seite der Geschichte wider, ist also keinesfalls objektiv. Aber man spürt wie viel Schmerz darin steckt, wie viele verletzte Gefühle und wie viel sich unverstanden fühlen.

 

Mir waren die Kapitel über seine Militärzeit zu lang und langatmig und einiges fiel bei mir in die Kategorie „Warum erzählt jemand so etwas?“ bzw. „Darüber sollte man nicht sprechen.“

 

Von mir bekommt das Buch 3,5 Sterne.