Rezension

Auf in die weite, böse Welt

Der Trafikant
von Robert Seethaler

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als Franzls Stiefvater stirbt, schickt seine Mutter ihn zum Arbeiten nach Wien zu ihrer kriegsverwundeten Jugendliebe. Dort wird Franz Traffikant, freundet sich mit Prof. Freud an und sucht die Liebe.

Viel kann man zu dem kleinen Büchlein gar nicht schreiben, man muss es selbst lesen!

Der schüchterne Franz soll nach dem Tod seinsn Stiefvaters erwachsen werden. Er reist mit dem Zug vom idyllisch gelegenen Attersee ins aufregende Wien. Ein schönes Großstadtpanorama tut sich auf. Schnell gewöhnt sich Franz an seinen neuen Wohnort und gewinnt an Selbstvertrauen. Doch hin und wieder holt ihn das Heimweh ein. Er hegt regen Briefkontakt zu seiner Mutter, die er sehr vermisst. Aber nach Hause kehrt er nicht zurück. Er lernt Verantwortung zu übernehmen und zum Mann zu werden. Dabei hilft ihm die Freundschaft zu Prof. Freud, einem seiner Stammkunden, sehr. Die beiden führen tiefgehende Gespräche und es scheint, dass die Gespräch für den über 80-jährigen Psychoanalytiker wichtiger sind als für den 17-jährigen Traffikantenlehrling Franz. Diese Freundschaft ist wahrlich rührselig.

Doch es ist das Jahr 1938 und die politischen Umstände machen es für alle immer schwieriger. Prof. Freud ist Jude. Es ist bekannt, dass er die Trafik aufsucht und dort gern gesehen ist. Und so wird den Traffikanten das Leben zur Hölle gemacht. Schnell wird Franz erwachsen und lernt, was es heißt, zu lieben und was wahre Freundschaft ausmacht. Hatte er doch nie eine Ahnung von Politik, lernt er diese nun auf dramatische Weise kennen und bezieht Stellung, wie kein anderer. Franz ist eine sehr warmherzige Figur.

Neben dem geschichtlichen Geschehen wird auch immer wieder das kulturelle Leben in Wien beschrieben. 

Dieses Büchlein ist melancholisch, schön, rührselig und warmherzig, in einer sehr kühlen, rauen Zeit.