Rezension

beeindruckender Schriftstil

Das Haus der schwarzen Schwäne - Jelle Behnert

Das Haus der schwarzen Schwäne
von Jelle Behnert

Bewertet mit 4 Sternen

„...Auf einmal wandelte eine Frau im schwarzen Schleier an Falka vorbei, und Falka sah einzig nur nach ihr. Sie war alt, sie hatte weißes Greisenhaar, sie war in Trauer, aber der Schleier machte sie schön. ...Da wandelte die Nacht mitten durch den Tag, und alles Taghelle verblasste vor der einen Gestalt, die auf dem Meeresboden ihrer Trauer in Finsternis ging...“

 

Wir schreiben das Jahr 1693. Falka wird von ihrer Heimatinsel vertrieben, nachdem ihr Vater und Peder, ihr Geliebter, auf See geblieben waren. Die Bewohner werden ihr Schadenszauber vor. Falka wird nach Tondern gebracht, wo sie in der Fabrik von Willem Tondernsen Spitze klöppeln soll. Drehen, kreuzen, drehen, kreuzen – das begleitet sie durch den Tag. Immer 12 Mädchen sind in einer Kammer unterbracht, die nach 16stündiger Arbeit ihr Heim ist.

Die Autorin hat einen beeindruckenden historischen Roman geschrieben. Bedauerlicherweise aber gibt es keine Information darüber, was historische Wahrheit und was Phantasie ist.

Die Hochzeit von Lily, Willem Tondernsens einziger Tochter, ist als ein besonderes Fest geplant. Das wird sie auch, aber anders, als es sich die Beteiligten vorgestellt haben. Zehn Klöppelmädchen aus Falkas Kammer stürzen sich vom Dach der Fabrik in den Tod. Ihr Vermächtnis trägt Falka weiter.

Der Schriftstil zeichnet sich durch außergewöhnliche und vielfältige Sprachbilder aus, wie schon das obige Zitat zeigt. Sie unterstreichen die düstere Stimmung, die die Handlung bis zum Schluss durchzieht. Die Verhältnisse werden detailliert beschrieben. Während die Mädchen hungern und frieren, wird Willem durch die gefragte Spitze reich. Mit dem Selbstmord setzen die Mädchen ein Zeichen. Besonders Lily wird das Geschehen ihr Leben lang nicht loslassen. Unter den Toten ist ein Kind, das schon zur Weihnachtsmesse die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Das Kind bekommt Lily nicht aus ihren Gedanken.

Im Mittelpunkt steht die Entwicklung von Falka. Sie ist eine begabte Klöpplerin und versteht es zunehmend, Mädchen und Frauen in ihren Bann zu ziehen. Kunstvoll geklöppelte schwarze Schleier werden zu einem Symbol der Freiheit. Doch Falka ist in der Wahl ihrer Mittel nicht wählerisch. Sie sieht nur ihr Ziel, die Herrschaft der Mädchen, und erwartet zunehmend, dass sich alle ihr unterordnen.

„...Die ganze Menschheit wird von Frauen geboren. Dann sollen Frauen auch über die gesamte Menschheit gebieten...“

Mit diesen Worten formuliert Falka ihr Ziel. Dafür geht sie über Leichen. Dafür stößt sie Freundinnen vor den Kopf. Natürlich wird an vielen Stellen der Handlung deutlich, dass Mädchen in der damaligen Zeit keinerlei Rechte hatten. Der Autorin gelingt es anschaulich und eindringlich nachzuweisen, dass man Unrecht nicht beseitigt, indem man selbst Unrecht tut und in die Radikalität abgleitet. Einer der Gegenspieler Falkas ist ihr Mann Till. Er hatte als Junge die Grausamkeiten des Krieges in Pommern erlebt, war vor Krieg und Unrecht geflohen und sah nun die Gefahr, dass alles von vorn los ging.

Es gab durchaus Situationen, wo Falka gekonnt mit ihren weiblichen Reizen spielte. Sie erhielt Einblick in die große Weltpolitik. Der dänische König war nicht bereit, sich an einem Krieg zu beteiligen. Er wollte Frieden für sein Volk. Die Beziehungen zwischen Dänemark, Russland, Schweden und Polen werden gekonnt im Buch thematisiert.

Das dunkle Cover passt zur Handlung.

Das Buch hat mir gut gefallen, auch wenn die Geschichte am Ende unrealistische Züge annahm. Genau deshalb hätte ich mir ein erklärendes Nachwort gewünscht. Falka war mit ihrem Ziel ihrer Zeit weit voraus. Die Wahl der Mittel allerdings beweisen die dunkle Seite ihres Charakters.