Rezension

Berührend

Die vergessenen Träume - Ellen Sussman

Die vergessenen Träume
von Ellen Sussman

Bewertet mit 4 Sternen

Der erste Satz:
"Und sie?", fragte der Mann. "Was führt sie nach Bali?"

Meine Meinung:
Inhalt
Jamie besucht die Insel Bali erneut. Es soll eine Gedenkfeier für die Opfer des schrecklichen Terroranschlages geben, welcher vor genau einem Jahr passiert ist. Jamie ist seitdem sie ihren Freund bei dem Anschlag verloren hat, nie wieder auf der Insel gewesen. Es fällt ihr sehr schwer, doch sie gibt nicht auf.
Auf der Insel möchte sie auch gerne Gabe wieder sehen. Dieser stand ihr in der schweren Zeit vor einem Jahr nämlich stets zur Seite...

"Warum? Wie kannst du das sagen? Warum hast du mich gerettet und nicht irgendjemand anderen? Jemand anders ist gestorben, weil du zu meiner Stimme gerannt bist. Wenn du mich nicht dort herausgetragen und weggebracht hättest, hättest du noch zehn Leben retten können. Ich bin am Leben, und sie sind alle tot."
Zitat aus "Die vergessenen Träume"  -Jamie-

Cover
Ich kann nichts anderes dazu sagen, als: Wow!!! Es ist wunderschön, was anderes fällt mir wirklich nicht ein. Es passt bedingt auch ziemlich gut zur Geschichte, denn Jamie wohnt in ihrer Zeit auf Bali in einem absoluten Paradies. Was die Thematik dieses Romans angeht, könnte dieses zum Träumen einladende Cover allerdings ein bisschen in die Irre führen.

"Als meine Frau starb, da habe ich die Orientierung in der Welt verloren. Aber dann habe ich meine Gemeinschaft angesehen und mir gefragt: Wie kann ich verloren sein, wenn alle wissen, wo ich bin? Die Trauer ist etwas sehr Schwieriges. Sie legt sich aufs Herz und macht das Gehen schwer. Jetzt fühle ich mich wieder leicht."
Zitat aus "Die vergessenen Träume" -Nyoman-

Gesamt
Ich wurde magisch von diesem Buch angezogen. Das Cover war wie ein unsichtbares Magnet für mich. Bei einem Blick auf den Klappentext war für mich sofort klar, dass ich diesen Roman unbedingt lesen muss. Doch ich habe nicht damit gerechnet, wie sehr er meine Emotionen zum Leben erwachen würde.
Aber von vorne: Der Einstieg fiel mir leider nicht besonders leicht. Er zog sich für mich ein bisschen zu sehr in die Länge. Ich konnte nicht so guten Bezug zu Jamie aufbauen, weil ich in dem ersten Abschnitt nicht allzu viel von ihr erfahren habe. Die Autorin warf mir zwar immer vereinzelte Brocken aus ihrer Vergangenheit vor die Füße, aber wie es im Inneren der Protagonistin ausschaut, ließ sehr lange auf sich warten.
In diesem ersten Abschnitt geht es ausschließlich um Jamie. Wie sie in Bali ankommt, wie sie einen Straßenjungen kennen lernt, und in was für einem Paradies sie ihre Zeit auf der Insel verbringen wird. Dieses Paradies, welches auf dem Cover schon sehr gut zu sehen ist, wird allerdings von einer dunklen Wolke überschattet, die die Vergangenheit von Jamie darstellt. Sie möchte mit den schrecklichen Ereignissen, die vor einem Jahr über sie eingebrochen sind, endlich abschließen und ist genau aus diesem Grund erneut zu der Insel gereist, die sie eigentlich meiden wollte. Sie möchte allerdings nicht nur mit ihrer Vergangenheit abschließen, sondern auch den Mann wiedertreffen, der sie vor genau einem Jahr gerettet hat: Gabe.
Mit diesem Charakter befasst sich schließlich der zweite Abschnitt und dieser hat es wirklich in sich. Er beschreibt bis ins kleinste Detail, was sich vor einem Jahr zugetragen hat und hat mir so die Tränen in die Augen getrieben. Es ist unfassbar, was Gabe und Jamie haben miterleben müssen. Hier bekam ich die Emotionen, die ich am Anfang vermisst habe, mit voller Wucht ins Gesicht geschmettert. Sie berührten mich zutiefst und machten mich fassungslos. Ich habe mich oft gefragt, wie in einer solchen Idylle so etwas furchtbares passieren konnte.
Mit Gabe wurde ich gleich warm. Er ist einfach toll. Selbstlos, mit Ecken und Kanten und absolut sympathisch. Ich konnte sehr gut verstehen, warum Jamie ihn unbedingt wieder finden wollte.
Egal ob im ersten, oder im dritten und letzten Abschnitt: Der Schreibstil, den Ellen Sussman an den Tag legt, kann sich absolut sehen lassen. Sie beschreibt die Umgebung, in der sich die Protas befinden so bildlich, dass ich während des Lesens absolute Lust darauf bekommen habe, mal nach Bali zu reisen und das, obwohl ich genau weiß, was sich dort vor ein paar Jahren zugetragen hat. Zudem gewährt die Autorin einen so tiefen Einblick in die damaligen Geschehnisse, dass ich mich oft gefragt habe, ob sie selbst, oder jemanden den sie kennt, diese Hölle hat durchmachen müssen.
Wer sich diesen Roman zur Hand nimmt, sollte sich Zeit nehmen und alles auf sich wirken lassen, denn er ist keinesfalls eine seichte Liebesgeschichte, wie sie in vielen Romanen abläuft, oder wie auch das bezaubernde Cover vermuten lässt, sondern geht in die Tiefe und kratzt sogar an der Substanz des Lesers. Er hat mich sehr nachdenklich gestimmt.
Einziges kleines Manko, was ich persönlich empfunden habe ist, dass mir der erste Abschnitt ein bisschen zu langweilig war, was allerdings von den beiden anderen Abschnitten wieder wett gemacht wurde. Auch der Bezug zu Jamie, den ich am Anfang nicht so recht aufbauen konnte, stellte sich aber im Verlauf der Geschichte bei mir ein.
Mir hat das Buch außerordentlich gut gefallen, wenn ich das bei dieser ernsten Thematik überhaupt sagen kann, und das Ende hat mich in Tränen aufgelöst zurück gelassen.

Fazit:
Positiv
Der Schreibstil ist toll. Zwar fand ich den ersten Teil jetzt nicht super spannend, oder emotional, allerdings macht die flüssige Schreibweise der Autorin das wieder wett.
Natürlich muss ich auch unbedingt noch mal das großartige Cover erwähnen: Ich liebe es!
Die Emotionen von Gale haben mich mit all ihrer Macht erwischt. Ihn mochte ich am liebsten und mit ihm habe ich mich auch sehr gut identifizieren können. Ich habe miterlebt, wie er Jamie gerettet hat, und wie es ihm nach ihrer Abreise ergangen sein muss. Am Liebsten hätte ich ihn ganz feste gedrückt und getröstet, denn es ist wirklich absolut erschreckend, was in der Zeit vor einem Jahr alles passiert ist.
Ellen Sussman gewährt dem Leser einen sehr tiefen Einblick in die Thematik der Terroranschläge. Ich frage mich auch heute noch, ob sie selbst dabei war, oder jemanden kennt, der diese schreckliche Sache miterleben musste.
Die wechselnden Perspektiven haben mir sehr gut gefallen. Der erste Teil gehört Jamie, der zweite Teil Gabe und im Dritten, nun, lasst euch überraschen. :)
Absoluter Pluspunkt: Das Ende hat mich sehr berührt und mich auch ein bisschen weinen lassen.

Negativ 
Leider gibt es keine "richtigen Kapitel": Das Buch ist lediglich in drei Teile aufgeteilt, die in Etwa alle gleich lang sind. Mir persönlich gefallen kürzere Kapitel besser.
Der erste Teil, in dem es um Jamie und ihren Aufenthalt auf Bali geht, hat mich etwas gelangweilt. Es war für mich ein bisschen zu emotionslos. Außerdem konnte ich bei diesem Teil auch noch keinen Bezug zur Prota aufbauen.
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