Rezension

'Black' und 'the blackest'

Shadow Guard 01. Wenn die Nacht beginnt - Kim Lenox

Shadow Guard - Wenn die Nacht beginnt
von Kim Lenox

Bewertet mit 3 Sternen

Zeit zu sterben."

Der erste Eindruck sei voran gestellt. Womit haben wir es hier zu tun, wenn der Titel von dunklen mysteriösen Wächtern spricht? Heutzutage ist ja alles was dunkel ist irgendwie anziehend- wobei- nein war es eigentlich schon immer, soweit ich weiß veröffentlichte Bram Stoker zum Beispiel seinen berühmten Blutsauger 1897. Nur das Kim Lenox mit garstigen fahlen Lebenstrunk süchtigen Fledermäusen nichts zu tun hat. Und nur weil auf dem Cover ein Mond und ein Mann zu sehen sind, geht es auch nicht um Werwölfe. Ihre Teufel sind animalisch und exzentrisch, attraktiv, reich und spitzzüngig. Und bisher red ich nur von einer sehr adretten Nebenfigur, eine kleine Meisterin: keck, frech, arrogant und bibliophil auf die übelste Art, sie ist kein Bücherwurm, sie ist eine Bücherbestie! Und das sind nur zwei von unzähligen hinreißenden Querschlägern in diesem Taschenbuch mit gerade einmal 18 Kapiteln.
 

"... Kehle aufgeschlitzt von Ohr zu Ohr ..."

Es scheint die Aufmerksamkeit der Verlage richtet sich auf schnelle Happen- schnelle 338 Seiten, mehr ist da textlich nicht. Und es startet echt schattig. Um nicht zu sagen: Sternenlos, dunkel, schwarz und rußig. Oh, nur am Rande erwähnt es sind ein Dutzend Vorkehrungen getroffen um allein im 5- seitigen Prolog zu betonen wie extrem düster es in London um die 1887 bis 1888 ist. Besonders auf einem morschen Dach in Spitalfield (hervorragende Ortswahl), wo ein Jäger seine Beute stellt, diese sich aber dem Zugriff vehement verweigert. Und schon haben wir die beiden Protagonisten auf dem Schirm: Er mit wehenden Rockschößen, langem Haar und grauen Augen steht kurz vor der Verwandlung in ein Wesen mit Klingenklauen- er macht keine Fehler, er liebt das Jagen und zusätzlich hat er da auch noch ominöse Mächte mit denen er die Gedanken Sterblicher hören kann. Zu dumm, natürlich nicht die von Elena. Irgendwas an ihr scheint anders zu sein. Sie hinterlässt einen bleibenden Eindruck: kämpferisch, trotzig, tapfer. Tja leider… na ja fällt sie vom Dach. Schade- Ende.

Und ich verrat ja jetzt nichts Neues, immerhin steht das schon im Klappentext: Oh Wunder der Phantastik: das Jahr drauf lebt sie doch noch- hat aber ihr Gedächtnis verloren, erinnert sich nicht an dieses Monster auf dem Dach, das sie retten wollte, aber dem dabei so ein klitzekleiner Fehler unterlaufen ist.
Wir befinden uns in einer Welt des viktorianischen Zeitalters, mir widerstrebt es, pauschal die hübschen Droschken und Kaleschen, sowie hundert armige Lüster und die Zylinder mit Steampunk gleichzusetzen, nur weil telegrafiert wird und es Omnibusse (Pferdeomnibusse seit 16- hundert- peng) gibt. Rein Recherche technisch hat Lenox alles richtig gemacht, inklusive der Bedeutung von Kleidung und Titeln, wenn die gut betuchten Lords und Ladys in Mayfair ihre soirées geben, während die armen Dirnen bei Regen und Nebel in schäbigen Gassen unter Zeitungen frieren. Und dann gibt es noch den angekündigten 'Jack the Ripper'- die Figur die in eben diesem Jahr, sein Unwesen trieb und fünf Prostituierte verstümmelte- Vorbild einiger anderer Werke. Aber auf einem soliden Fundament kann man verständlicherweise gut bauen.
 

"... der Unterleib war aufgerissen worden ..."

Erwähnte ich schon das dieses Buch durch und durch 'black' ist? Archer Black jagt also Jack (nicht so black) durch London, findet Zimmer die er bewohnte, durchstreift die Kanalisation, trifft auf einem abgestellten Bahngleis eine Person von ausgesuchter Mächtigkeit, die mir sehr leid tat und doch führen alle Wege zurück zu seinem Anwesen: House Black oder ins Hospital in dem Elena Krankenschwester ist. Er ist unsterblich, hat ein Faible dafür mit Schatten zu verschmelzen und ist ein kleiner Spanner. Außerdem ist er ziemlich rüde, eingefahren und langweilig. Ich musste an Thornfield und Mr. Rochester aus 'Jane Eyre' denken. Der Mann der die jüngere Dame aushält, überhaupt nichts von ihr will, sich aber doch immer wieder in ihre Reichweite schleicht; ein Geheimnis, verschlossene Räume, merkwürdige Freunde und treu sorgende Angestellte. Tatsächlich aber schreibt Lenox auf ihrer Homepage davon, das sie sich eher von 'Meet Joe Black' inspiriert fühlte.
Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, jedes dunkel, schwarz und Nacht zu zählen im ganzen Buch, tatsächlich, wie man vielleicht annehmen könnte, wurde das Buch gen Schluß lichter und heller. Was aber völlig fehlt ist schwarzer Humor- da kann man ruhig noch eine Schüppe drauf legen. Die einzige Szene in der ich herzhaft lachen musste war, als der Sekretär die Zähne zeigte. Tatsächlich nehme ich sogar an, das Mr Leesons Beruf ihn wesentlich schwärzer macht als Lord Black. 

Ganz und gar unschwarz- ja regelrecht bunt wirkt Strahlemann und Tunichtgut: Markus Helios, Lord Alexander- der zum Ziel im zweiten Buch der Reihe werden wird, verdient meiner Meinung nach. Die Charaktere haben es mir tatsächlich angetan, für jeden Geschmack etwas dabei. Und im bisher noch nicht auf Deutsch erschienenen dritten Band wird dann Selene abgehandelt. Gemäß dem Motto: Auf jeden noch so krummen Topf passt schon noch ein Deckelchen. Aus dem Stehgreif könnte ich jetzt ein paar andere Werke aufführen wie von Aiken, Bird oder Singh, in der das bewährte Produkt einer Gesellschaftsgruppe eingeführt wird, eine Hintergrundgeschichte dahin plätschert wie der Bass und die große Trommel auf dem 'Black- Metal' Konzert. Und oben drüber liegen die Verpaarungen der ganzen Charaktere, seien sie menschlicher oder anderer Abstammung. Hervorzuheben ist die ausgeführte sexuelle Szene auch nur deshalb, weil der plötzlich zu Schabernack neigende Lord Black wieder einmal in seinen geliebten Schatten verschwindet- mir scheint er ist einfach zu hübsch und zu toll für hemmungsloses Treiben.
 

"... Mord in seiner grauenvollsten Form ..."

All diese Charaktere werden nun auf die Schnipseljagd nach dem Mörder geschickt, welcher aber deutlichen Vorsprung hat und nicht allein deswegen sein Tun erklärt weil er in eine Anstalt oder unter ein Fallbeil gehört. Nein hinter all dem steckt natürlich noch viel mehr- was man elegant mit hinüber nehmen kann in weitere Bücher. Und das ist auch gut so, denn sonst wäre die Geschichte um Black und Whitney (<- habt ihr's gesehen?) nämlich eine ziemlich langweilige: Adliger trifft Bettelarmes Mädchen- erhebt sich über alle Stände- Geschichte. Dieses Lustspiel jedoch gehört in die nächste Ebene und ist deswegen so gut, weil es flott und treffsicher geschrieben ist. Und selbst wenn man kurz absetzt sofort wieder mitten drin steckt.

Es gibt an einigen Stellen hervorragend platzierte Details, alles in allem fehlt es aber an der gewissen Finesse. So hätte ich mir zum Beispiel gewünscht das diese monströsen dunklen Monster sich nicht gleich von 'Liebe' und 'Unendlichkeit des Seins' unterjochen lassen. Und die Suche nach Jack ist auch irgendwie öde, wenn man bedenkt, das die nur allzu menschlichen Polizisten nicht einmal im Ansatz eine Chance erhalten mitzumischen. Und wenn man dann denkt, gut was die Polizei dann eben nicht kann, wird dann an Detektivarbeit sicherlich Archer leisten, der irrt. Schade auch: anfänglich war Elena nämlich noch recht kratzbürstig, immerhin aber kriegt sie die Kurve wirklich ganz kurz vor Schluß doch noch, 'the Ripper' nur blöderweise auch.

Während die doch ach so heldenhaften Beschützer aller Seelen- Lebender wie Toter, sich den finalen Kampf liefern, brilliert einzig und allein der Zugzwang. Eben der, der für einen 'Buchhappen' für mich das Ende bedeutet. Schließlich klappte ich das Buch zu und ärgerte mich über den absolut farblosen, ja geradezu grell gleißenden Blitz. Ich erwartete beinah ein 'Blitzdings' zu sehen, welches mir die Erinnerung nehmen wollte. Nein, die Geschichte ist noch in meinem Kopf und sie ist solide, flüssig und gut. Aber auch nicht mehr. Die Akzente sind hervorragend, der Anfang dunkel wie versprochen, der Abgang ziemlich zügig.
Schnell werden noch einige anscheinend sehr wichtige Informationen nachgereicht, zum Schaden von Nachvollziehbarkeit. Der Bruch zum Nachspann ist so groß, das er lieblos wirkt- ein deftiger Cliffhanger hätte hier mehr Spannung gehalten. Im nächsten Band klärt sich dann hoffentlich die Frage: Warum zum Geier, hat sich Archer seine verflucht hinreißenden Haare abschneiden lassen?
 

"... N T S T O P M E..." 

Fazit:

 "... Haben Sie Gefallen gefunden an den beiden liebreizenden Geschenken, die ich Ihnen hinterlassen habe?..."

Helden sind weder schwarz noch weiß, in diesem Fall, wie so oft, folgen die Herzen jedoch der unabänderlichen Segnung der Liebe und aus herrlichen Bestien werden Schoßhunde. Und sämtliches Menschenvolk, welches irgendwie in der Gesamtheit erhaltenswert sein soll, ist ein einziger Pfuhl aus Nebendarstellern, die nichts zu melden haben, es sei denn sie sind verliebt in einen der Protagonisten.
Aber für die Szene wie Archer aus der emaillierten Sitzwanne in seinem Arbeitszimmer steigt und sich ein knappes Handtuch umwickelt und Elena betont das sie ihn nicht so nackt erwartet hätte- stützt meine Vermutung: Es brauch' manchmal nicht perfekt sein, wenn es Momente gibt, die man auf der Stelle allen die wollen oder nicht wollen vorlesen will. Außerdem freue ich mich darauf von Mark zu erfahren wie das denn nun war, damals, mit der Enthauptung und frage mich wie die Ahnen es finden, das ihre Shadow Guards anfangen zu leben statt einfach nur da zu sein. Völlig überschätzt wird übrigens mal wieder die Tatsache der Unsterblichkeit. Unsterblich sein ist totaler Mist und am Ende verliert man vollkommen den Überblick über so viele Jahrhunderte, die einem so viel beigebracht haben.
 

Ein amaranthinisch- hartes Urteil: durchschnittlich
mit qualitativen, vielversprechenden Ausreißern nach oben