Rezension

Börsencrash und Kinderarbeit im 20. Jahrhundert

Das Weingut. Aufbruch in ein neues Leben - Marie Lacrosse

Das Weingut. Aufbruch in ein neues Leben
von Marie Lacrosse

Bewertet mit 5 Sternen

Der Krieg ist vorbei und so langsam tritt auch im Elsass wieder Normalität ein. Nicht so auf dem Weingut. Irene ging ohne ein Wort weg und nur Franz´Mutter weiß, warum sie das tat. Dass sie schwanger war, weiß auch nur sie und dass ausgerechnet der Vater von Franz sie verjagte, ebenfalls. Als Franz Gerban aus dem Krieg heimkehrt, leben im Haus nur noch sein Vater und die verwöhnte Schwester. Er selbst wurde schwer verwundet und hat fremden Menschen sein Leben zu verdanken.

 

Irene schlägt sich mehr schlecht als recht mit ihrem kleinen Sohn durch. Im Laufe der Zeit werden ihr Fleiß und ihre Sparsamkeit belohnt und sie kann mit Fränzel ein relativ gutes Leben führen. Pauline, Franz´ Mutter wurde vom Vater in eine Irrenanstalt gesteckt. Ja, so hießen damals die psychiatrischen Kliniken und Marie LaCrosse hat auch ihre Sprache der damaligen Zeit angepasst.

 

Sofort am Anfang des Buches zitiert die Autorin einige Erlasse, die das Arbeiten von Kindern in der damaligen Zeit erlauben. Auch diese Tatsache wird in dem Buch beschrieben und gleichzeitig die Gefährlichkeit der Kinderarbeit dargestellt. Frauen mussten trotz Schwangerschaft und Niederkunft arbeiten. Elternzeit oder Mutterschutz gab es nicht. Familien, deren Versorger im Krieg gefallen sind, bekamen keine oder nur ganz geringe Unterstützung. Die Not der Arbeiter war groß und Männer ertränkten ihren Frust häufig in Alkohol. Darunter litten die Ehefrauen und mitunter auch die Kinder. Scheidungen gab es nicht, da es für den Gesetzgeber normal war, dass Frauen geschlagen wurden.

 

Das Buch gefiel mir ausgesprochen gut. Nicht nur die Verhältnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind genau dargestellt. Auch die Ungerechtigkeit sowie die Kluft zwischen Fabrikbesitzern und Arbeitern ist beschrieben. Die Reichen wissen fast nicht wohin mit ihrem Geld und die Armen haben oft nicht einmal eine Tasse Milch für ihre Jüngsten. Die Anfänge der heute so mächtigen Gewerkschaften erläutert Marie LaCrosse in dem Buch und sogar der Börsencrash spielt eine gravierende Rolle. Wer damals streikte oder zum Streik aufrief, der musste Lohnkürzungen hinnehmen oder sogar den Verlust des Arbeitsplatzes.

 

Schule gab es nur für Zöglinge reicher Eltern und die Pflicht zum Besuch kam erst ab 1918 und das war keine Garantie, dass die Kinder tatsächlich zum Unterricht gehen durften. Sehr gut gefiel mir auch die Beschreibung der Arbeit in Tuchfabriken. Die großen Maschinen sind so genau beschrieben, dass ich mir die jeweilige Tätigkeit daran sehr gut vorstellen konnte. Das Ende ist heftig und hat mich lange nicht losgelassen. Ich freue mich sehr, wenn ich den 3. Band „endlich“ in Händen halten kann.