Rezension

Das Fazit ist wichtig, aber ernüchternd

Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen -

Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen
von James B. MacKinnon

Bewertet mit 5 Sternen

Der Autor macht Gedankenexperimente, was wäre wenn, ja, wenn wir nicht/anders/weniger/mehr konsumieren/shoppen/einkaufen. Anhand von vielen Beispielen aus Ländern und Inseln mitten in ihren eigenen Krisen zeigt er auf, was passiert, wenn das Geld nicht mehr so fließt, wie es sich so manche in Chefetagen wünschen.

Wann ist das eigentlich eskaliert, dass das BIP, das Bruttoinlandsprodukt, eigentlich nur eine Richtung kennen darf, und zwar nach oben? Warum werden wir immer wieder regelrecht gezwungen, eigentlich langlebige Haushaltsgräte, wie zum Beispiel eine Waschmaschine, nach kurzer Zeit doch wieder auszutauschen, da sie nach kurzer Zeit bereits kaputt sind und nicht repariert werden können; oder gerade diese viel zu teuer ist? Warum werden die Ressourcen der Erde regelrecht verschleudert, nur, um ein Wachstum zu realisieren, das völlig unrealistisch ist?

War das schon immer so? Oh nein, MacKinnon erläutert das, was eigentlich bekannt sein sollte beziehungsweise ist, dass in früheren Jahren das sogenannte Wachstum winzig war. Gier und Macht, die Industrialisierung, all dies beschleunigte einen Kreislauf, aus der wir kaum herauskommen. Wohlstand, Gesundheit, das hat seinen Preis und ist längst nicht für alle da. Im Gegenteil, schaut man sich um, begreift man, wie gut es uns geht.

Doch kommen wir aus dieser Falle überhaupt heraus, und wenn ja, wie? Klimakämpfer möchten, dass in Deutschland ein Bus-/Bahn-Ticket für 9 Euro erhältlich ist. Was bedeutet das? Für Menschen, die wenig Geld haben, ist es eine Investition in die Zukunft. Eigentlich sollte dieses Ticket für all Jene, die gewzungen sind, sich bei der Tafel Lebensmittel zu besorgen, hinterlegt sein. Einfach so. Und dann, gestaffelt nach Einkommen, immer teurer. Bis zu dem Moment, in der das Ticket sich trägt. Der Knackpunkt ist nämlich, dass nichts gespart wird für das Klima. Geld, dass ich nicht für das Ticket ausgeben muss, wird anderweitig ausgegeben. Vielleicht wird es noch auf die Bank getragen, für die nächste Heizkostenabrechnung, Strom usw. Aber es wird ausgegeben. Und bis zu diesem Zeitpunkt arbeitet die Bank mit dem Geld. Es wird investiert. Klimaschonend? Machen wir uns nichts vor.

MacKinnon beschreibt auch, wie Forscher teils über Jahrzehnte hinweg sogenannte „arme“ Menschen in abgelegenen Gegenden begleitet haben. Zum Beispiel Menschen, die nur so viel sammeln und jagen, wie sie in kurzer Zeit verbrauchen können, keine Vorräte anlegen und so Umwelt und Ressourcen schonen. Fühlen diese sich dadurch wirklich schlechter?

Andere, die sich durch den Wohlstand des Westens benachteiligt fühlen, wollen auch vom fetten Kuchen etwas abbekommen. Doch wie ist da die Rechnung? Wenn zum Beispiel alle Menschen Indiens diesen Wohlstand Europas ebenfalls leben würden? Es wäre nicht machbar: So viele Ressourcen hat die Erde nicht.

Geld, das wir in Umlauf bringen, wie auch immer, wird genutzt. Firmen, die versuchen, Klimaschonend zu produzieren, produzieren dennoch. Doch benötigen wir diese Dinge? Und: Wer will das bestimmen? Es ist ein nicht zu durchdringendes Konstrukt. Nur ein echtes Weniger, ein langsameres Voranschreiten, das vor allem durch Bevölkerungsrückgang verursacht wird, könnte die Probleme reduzieren.

Der erste Lockdown und die nachfolgende Zeit hat uns in gewisser Weise bereits gezeigt, was auf uns zu kommt. Menschen, die ein T-Shirt nur einmal anziehen, weil es „die Mode“ so will, wie der Autor aufzeigt, das können wir uns bald nicht mehr leisten. Ebensowenig wie der ganze Ramsch, der nur Ressourcen verbraucht und nach dem Kauf bereits nichts mehr Wert ist, hilft uns nicht weiter; außer den Bilanzen der Firmen.

Das echte Umdenken bei Firmen, Politik, Bevölkerung, hat sich noch lange nicht durchgesetzt. Die wenigen, die es sich leisten können, sich beim Konsum auf das Wesentliche zu beschränken, die Minimalisten, sie sind noch viel zu wenige. Die Gier der Großen lastet auf unseren Schultern, sie lässt uns Wirtschafts-, Verteilungs- und Machtkriege führen. Ein Zusammenhalt oder ein Plan zur Erhaltung des Planeten für alle ist nicht in Sicht.

Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, Änderungen aber nur bewirken kann, wenn es bei den Schaltstellen der Welt ankommt. Wie zum Beispiel, dass Geräte reparaturfähig sein müssen, Influenzer uns eher zeigen, wie ein Kleidungsstück verwandelbar hunderte Male getragen werden kann usw, usw. Dass es unschädlich ist, wenn das Wirtschaftswachstum sich nicht nur verlangsamt, sondern sehr wohl in der Lage ist, Rückschritte in Kauf zu nehmen und andere Merkmale wichtiger sind. Bis dahin kann nur jede Person selbst entscheiden, welcher Weg für sich selbst möglich ist in dem Rahmen, der von Außen auf einen wirkt. Und shoppen geht.

Kommentare

Brocéliande kommentierte am 04. Januar 2023 um 23:40

ein sehr interessantes und wichtiges Sachbuch - und eine sehr gute Rezi: Ich glaube dennoch, dass "Otto Normalverbraucher" lange Zeit brauchen wird, um zu erkennen, dass sich Nachhaltigkeit auf lange Sicht lohnt - uns selbst und dem Planeten zuliebe. Danke für Deine Rezi!

(PS: Ich hasse Menschen, die ständig "shoppen gehen")