Rezension

Das schwarze Loch von Arkansas

Hier könnte das Ende der Welt sein - John Corey Whaley

Hier könnte das Ende der Welt sein
von John Corey Whaley

Bewertet mit 5 Sternen

Cullen Witter ist ein typischer siebzehnjähriger amerikanischer Junge aus einer typischen amerikanischen Kleinstadt in Arkansas. Lily, so der Name dieser Kleinstadt, könnte sich genauso gut auch am Ende der Welt befinden, denn es passiert nie etwas. Und alle Leute, die es irgendwie schaffen, aus Lily herauszukommen, kommen irgendwann wieder und bleiben. Und dann ist taucht in den Sommerferien ein Mann namens John Barling auf, der behauptet, er hätte ausgerechnet hier ein Exemplar eines eigentlich ausgestorbenen Spechtes gesehen, und Lily scheint aufzuwachen. Durch die Reportagen über diesen Vogel wird Lily bekannter und die Leute hoffen, dass es in irgendeiner Form ihre Wirtschaft ankurbelt, die ziemlich am Boden liegt. Zur gleichen Zeit verschwindet Cullens Bruder Gabriel, ein stiller, sehr kluger Fünfzehnjähriger, der mit niemandem Streit hatte und den alle mochten. Cullen kann nicht glauben, dass sein Bruder abgehauen ist, und er möchte auch nicht glauben, dass sein Bruder von irgendwem ermordet wurde. Doch die Zeit vergeht, die Polizei gibt die Suche auf und das Leben in Lily scheint einfach so weiterzugehen.

Dieses Buch ist in zwei oder eigentlich sogar drei Erzählsträngen und sehr ungewöhnlich geschrieben; bewusst bricht Whaley herkömmliche Schreibdogmen. Es tritt ein Ich-Erzähler auf (Cullen), ein zweiter Handlungsstrang führt uns zu einem jungen Mann, der durch religiöse und familiäre Hintergründe in den Selbstmord getrieben wird und zu dessen Freund, der sich auf eine exzessive Suche begibt sowie zu einer jungen Frau aus Lily, die aus der Kleinstadt fortgeht, studiert, eine falsche Männerwahl trifft und damit eine Kette aus Ereignissen in Gang setzt, die viele unbeteiligte Menschen ins Unglück reißt. Dieser Strang wird im letzten Drittel wieder rückwärts erzählt, während zwei Drittel der Handlung strikt vorwärts verlaufen. Zum Schluss führen jedoch alle Erzählstränge wieder zusammen und ergeben ein in sich schlüssiges, wenn auch etwas offenes Ende, das jeder so interpretieren kann, wie er möchte.

Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich Vergleichbares noch nicht gelesen habe. Diese ungewöhnliche Art zu schreiben und Handlungsebenen zu entwerfen und zusammenzuführen, die Art des Ich-Erzählers, unangenehme oder geträumte Erlebnisse in der dritten Person zu berichten, der größtenteils nüchterne und trockene Schreibstil haben für mich das Buch zu einem beeindruckenden Leseerlebnis werden lassen.

Fazit: Sperrig, nicht jedermanns Sache, aber wer sich darauf einlassen kann, wird ein Stück Jugendliteratur erhalten, das sich mit dem Tod, Vertrauen, Verrat, Lügen, Familie und Liebe auseinandersetzt, ohne auch nur einmal den moralischen Zeigefinger zu erheben.