Rezension

Das Traumpaar des Jazz Age

Tage mit Gatsby -

Tage mit Gatsby
von Josephine Nicolas

Bewertet mit 4 Sternen

Viele kennen die tragische Liebesgeschichte von Gatsby und Daisy, aber wieviel vom Autor und seiner Frau stecken in dem Roman? Lesenswert! Das Traumpaar des Jazz Age

Für ihr Romandebüt ist Joséphine Nicolas tief die 1920er Jahre und in das Leben des amerikanischen Autors F. Scott Fitzgerald und seiner Frau Zelda eingetaucht.

Die Fitzgeralds führen als exzentrisches Paar ein kostspieliges Leben in New York und flüchten schließlich 1924 an die französische Riviera, weil das Glamourleben nach dem Krieg dort günstiger ist. Hier will Francis Scott endlich den Roman schreiben, der ihm Weltruhm und genug Einkommen beschert, um keine Kurzgeschichten mehr schreiben zu müssen, die die Familie über Wasser halten. Das Schreiben gestaltet sich schwierig, ständig unterbrochen von Ehekrach, Alkohol und Eifersüchteleien. Als Zelda sich in einen anderen Mann verliebt, scheint die Ehe vor dem Aus zu stehen.

Für ein Jahr nehmen wir Teil an dem schillernden Leben des Künstlerehepaares, werden Zeugen ihrer Liebe, ihrer Zänkereien und ihres Leidens. Einzelne Rückblicke lassen die Charaktere deutlicher werden, z.B. Episoden aus Zeldas Kindheit und Jugend. Joséphine Nicolas beschreibt mit blumigen Adjektiven und in einer ausschweifenden, bildhaften Sprache dieses Leben einzig aus der Sicht von Zelda. Sie zeichnet mit ihren Sätzen intensive Szenen, die uns an den Cocktailempfängen und alkoholgeschwängerten Partys mit berühmten Personen dieser Zeit teilnehmen lassen. In diesem sich ständig wiederholenden Kreislauf stehen sich Zelda und Francis Scott genauso häufig bei wie gegenüber. Er als verunsicherter Autor, der auf die Inspiration durch seine Frau angewiesen ist und sie als unterdrücktes, unzufriedenes und verkanntes Talent, die Unabhängigkeit anstrebt, sich aber nicht durchsetzen kann. Im Roman wird deutlich, wie stark der Anteil Zeldas am Erfolg ihres Mannes war. Dieser bediente sich schamlos an ihren Ideen, ihrem Wesen und schrieb sogar aus ihrem Tagebuch ab. Insgesamt hat Fitzgerald stark aus eigenen Erlebnissen geschöpft und Menschen aus seinem Umfeld als Vorbilder für Charaktere in Gatsby benutzt. Das ist wirklich interessant zu lesen. Allein die Unsicherheit bei der Titelwahl zieht sich fast durch die gesamte Handlung. 

Der Roman hat mich sehr gut unterhalten. Das trotz allen Glamours doch eintönige und von Geldsorgen geprägte Leben des Paares spiegelt sich in den sich ständig wiederholenden Alkoholexzessen, Partys, Streitereien und Liebesbekundungen wider. Das muss man als Leser:in aushalten. Gezeigt wird die Entstehungsgeschichte eines Weltromans, dessen Erfolg der Autor nicht mehr erlebt hat. 

Eine klare Leseempfehlung und ein Muss für alle Gatsby-Fans. Es werden so viele Beispiele dafür herausgearbeitet, was aus dem Leben des Paares in den Text eingeflossen ist, dass man den Gatsby gleich im Anschluss noch mal lesen muss - mit anderen Augen und geschärftem Blick. Mehr kann sich ein:e Autor:in nicht wünschen. Ich vergebe vier Sterne.