Rezension

Das Wort mit K

Streulicht - Deniz Ohde

Streulicht
von Deniz Ohde

Das Wort mit K bekommt sie schon als kleines Mädchen zu hören, ohne es zu verstehen, und die Mutter will sie beruhigen: Nein, du kannst nicht gemeint sein, du bist Deutsche. Aber schon ihr Vorname verrät ihren Migrationshintergrund und wird daher zum Geheimnamen, für die Öffentlichkeit anders ausgesprochen und so einem vertrauten Namen angepasst.

Die nicht mit Namen genannte Protagonistin (vielleicht Deniz - Denise?) stammt aus einem Arbeiterhaushalt: Der Vater schuftet, säuft zu viel und ist voller Misstrauen gegen die Umwelt. Besuch darf es nicht geben; er wäre sicher auch befremdet von diesem Messie-Haushalt, in dem nichts weggeworfen werden darf. Die Mutter stammt aus der Türkei, sie ist ausgebrochen aus ihrem alten Leben, doch nun findet sie sich in einer Ehe mit einem Mann wieder, der mit Geschirr wirft. Das Mädchen hat zwei deutsche Freunde, den Jungen "Pikka" und das Mädchen "Sophia", das vorbildmäßig wie das gleichnamige Kind aus dem Lesebuch lebt: Behütet, mit gesunden Lebensmitteln ernährt, mit Reit- und Ballettstunden. Selbstverständlich gehen die beiden nach der Grundschule auf das Gymnasium, und auch die Erzählerin geht mit, doch dort hat sie keine Chance: Schnell ist sie abgestempelt, passt nicht in die vorgefertigte Schublade, und sie macht sich dieses Fremdbild zu eigen - unsicher, verschüchtert, an sich selbst zweifelnd kann sie die erwarteten Leistungen nicht bringen und muss die Schule verlassen. Es ist ein mühsamer Weg über die Abendschule und das Aufbaugymnasium bis zum Abitur, auf dem ihr immer wieder Steine in den Weg gelegt werden.

Ein solcher Lebensweg ist sicherlich nicht neu - aber er ist nach wie vor aktuelle Realität. Integration findet nicht statt; selbst völlig einseitige Anpassung verhilft nicht zu Akzeptanz. Das bildungsferne Arbeitermilieu, das von Alkohol und Gewalt geprägt ist, und gleichzeitig der Migrationshintergrund lassen die angebliche Chancengleichheit als Farce erscheinen. Empörend die Lehrer, die keinerlei Verständnis für das Mädchen aufbringen; der Gipfel ist ein Referendar, der ihr auf dem Aufbaugymnasium eine schlechtere Note gibt, weil sie ja schon älter sei als die Klassenkameraden und daher eigentlich mehr leisten müsse. Am schlimmsten aber sind für mich die beiden vermeintlichen Freunde: Selbst sie stecken das Mädchen in eine Schublade.

Deniz Ohde beschreibt in ihrem Debutroman eine Entwicklungsgeschichte und einen Kampf um Bildung, der in manchen Aspekten an Ulla Hahns "Das verborgene Wort" erinnert. Hier ist allerdings keine innerliche Verbundenheit zu den Bildungsinhalten zu erkennen; Ohde zeichnet eher ein Ringen um Identität. Das gelingt ihr aber mit einprägsamen Bildern und in geschliffener Sprache.

Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2020 und hat es bis auf die shortlist geschafft. Ich hoffe auf weitere Romane der Autorin.