Rezension

Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund

Der ehemalige Sohn -

Der ehemalige Sohn
von Sasha Filipenko

Bewertet mit 4 Sternen

Zisk ein Jugendlicher, der bei seiner Großmutter lebt und an einer renommierten Kunstschule Musik studiert, wird bei einer Massenpanik so schwer verletzt, dass er 10 Jahre im Koma liegt. In dieser Zeit sind einzig seine Baba und sein Freund Stass an seiner Seite. Seine Mutter hat sich fast komplett von ihm entfremdet, nicht zu letzt wegen eines Arztes, der nicht daran glaubt das Zisk je wieder aufwacht. Zu allem Übel heiratet sie eben jenem Arzt, der die Baba dazu zwingt in eine Miniwohnung zu ziehen und sie aufs übelste beleidigt. Erst nach dem Tod seiner Baba wacht Zisk auf und sieht sich einem totalitären Regime ausgesetzt, in dem Menschen verschwinden, ermordet und weggesperrt werden. Nachdem er die Willkür bei einer Massendemo hautnah sieht, fasst er einen Entschluss.

 

Der Autor findet sehr klare Worte und prangert in seinem Roman das rigorose Vorgehen der Politik und die massive Einschränkung der Meinungsfreiheit und Bürgerrechte. Bereits nach den ersten Seiten wird dem Leser klar warum das Buch in Belarus nur unter dem Ladentisch zu haben ist.

 

Der Autor schafft es mit der Handlung, den Leser die gesellschaftlichen Umstände in Belarus anhand der Geschichte über Zisk und seiner Familie näher zu bringen. Vor allem wie sehr sich die Baba um Zisk bemüht und kümmert und für ihn die Mutterrolle übernimmt, die seine leibliche Mutter nie übernehmen wollte. Besonders dramatisch wird während des Komas, wo die Ärzte ihm am liebsten „einschläfern“ wollten und die Bab wirklich alle ihre Kräfte aufbietet und das die ganzen 10 Jahre, um ihren Enkelsohn zu beschützen. Wirklich schlimm ist dann ein Arzt, der dann auch noch ihr Schwiegersohn wird und sie wirklich aufs übelste beschimpft und moppt. Er quartiert sie in eine Miniwohnung ein. Doch all das erträgt sie für Zisk. Besonders die Szene der Massenpanik, durch die Zisk ja erst ins Koma gefallen ist, schildert der Autor so plastisch, das es einen eiskalt den Rücken runter läuft. Aber das richtig harte Leben beginnt für Zisk erst nach dem Koma, in der Zeit wo er ganz allein zurecht kommen muss, auch wenn seine Baba ihn vorsorglich eine ziemlich gute Brücke gebaut hat. Insgesamt kam mir beim Leser dieses Romans unwillkürlich, die Geschichte über das Leben in der ehemaligen DDR in den Sinn und auch der Gedanke, dass sich staatliche Willkür und Diktatur noch immer auf dieser Erde halten.

 

Baba, die eine wirklich starke Frau ist und für ihren Enkelsohn Zisk kämpft, wie eine Löwin habe ich wirklich ins Herz geschlossen. Vor allem ihre Weitsicht war beeindruckend. Und Zisk wie er sich ins Leben zurückgekämpft hat und dann aufgewacht ist und das ganze Unrecht nicht mehr ertragen konnte. Und Himmel dieser arrogante egoistische Arzt, der so unsympathisch ist eine Figur, die ich regelrecht gehasst habe. Es war wirklich beeindruckend zu sehen, wie schnell Zisk gezwungen wurde erwachsen zu werden und wie sehr er auf sich alleingestellt war ohne jegliche familiäre Schutzzone.

 

Fazit: Ein wirklich fesselnder und interessanter Roman, der sehr direkt Probleme anspricht und diese aufzeigt. Einige Figuren wachsen einen unglaublich ans Herz andere könnte man am liebsten aus dem Roman rausschmeißen. Besonders die Anmerkungen der Übersetzerin sind sehr hilfreich. Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung.