Rezension

Eindringlich

Der ehemalige Sohn -

Der ehemalige Sohn
von Sasha Filipenko

Wie kommt ein Schriftsteller zu der Aussage, er habe die Hoffnung, dass „dieses Buch in meinem Land eines Tages nicht mehr aktuell sein wird“? Sasha Filipenko, der damit vermutlich den Nerv der Mehrzahl seiner Landsleute trifft, prangert auf subtile Weise das politische System seines eigenen Landes an, Belarus, in dem sich seit Jahrzehnten keine Besserung ankündigt. Auch mich hat sein Roman betroffen gemacht.

Sein Protagonist, der 16jährige Franzisk Lukitsch, wird bei einer Massenpanik in Minsk so schwer verletzt, dass er in ein Koma fällt. Während seine Mutter und die Ärzte die Hoffnung aufgegeben haben, dass er jemals wieder aufwachen werde, organisiert seine mutige, bodenständige Großmutter Elvira jahrelang alles, um ihren Enkel wieder zu wecken. Doch sein tasächliches Erwachen zehn Jahre später erlebt sie nicht mehr, und Franzisk ist auf sich allein gestellt …

Sehr bildhaft und lebendig erzählt Filipenko, zieht den Leser in seine Geschichte hinein und lässt ihn Teil der Ereignisse werden. Beißend ironisch kommentiert er die Gesellschaft seines Landes, die Repressalien der Politik, die Sympathisanten und Nutznießer, aber auch die Gegner des totalitären Regimes. Doch man spürt deutlich, wie sehr ihn die Verfolgung politischer anders Denkender, die Angst der Menschen, in diese brutale Maschinerie hineinzugeraten, beschäftigt. Die verzweifelten Versuche der Bevölkerung, mit Demonstrationen mehr Demokratie zu erreichen, sieht er stets aufs Neue scheitern. Jedoch hat er die Hoffnung auf eine positive Veränderung des Landes nicht aufgegeben und trägt seinen Teil dazu bei, indem er schreibt. Belarus muss doch eines Tages aus seinem „Koma" erwachen, genauso wie Franzisk …