Rezension

Der Beginn eines Monstrums

Hannibal Rising - Thomas Harris

Hannibal Rising
von Thomas Harris

Bewertet mit 3 Sternen

"Lassen Sie uns hier, im heißen Dunkel seines Geistes, gemeinsam nach der Türklinke tasten. Un wenn wir sie finden, wollen wir uns für Musik in den Korridoren entscheiden und, nicht nach links oder rechts blickend, zum Saal des Beginns gehen, wo die Exponate am lückenhaftesten sind."

Alles hat einen Ursprung. Auch das Leben eines Serienmörders, eines Kannibalen, eines Monsters beginnt irgendwo und nimmt von dort seinen Lauf. Auch bei Hannibal Lecter ist das nicht anders. Geboren auf dem Anwesen der Lecters, im Schutze seines Vaters dem Grafen und seiner Mutter, immer zusammen mit seiner kleinen Schwester, erzogen von einem Lehrer, verbringt der Junge die ersten Jahre seines Lebens. Alles ist schön und gut, bis der Krieg ausbricht und die Welt des talentierten und intelligenten Hannibals aus den Fugen reist und ihn auf eine harte Probe stellt, in der er allein überlebt. Von Kriegsverbrechern schrecklich behandelt, gelingt ihm die Flucht, doch die Welt wie es sie vor dem Krieg gab, existiert nicht mehr. Sein Zuhause ist nun ein Internat für Waisenkinder und sein Leben verläuft schlecht, bis seine Tante ihn nach Frankreich holt. Eine hübsche Asiatin, die Hannibals jugendliche Begierde erweckt. Vielleicht hätte das Leben ein schöneres werden können, doch die Gier nach Rache und Vergeltung schwelt in dem jungen Hannibal und treibt ihn auf eine Jagd nach den Verbrechern, die ihm seinen letzten Rest Familie nahmen und damit immer mehr fort aus den Armen seiner Tante.

Nachdem ich die Filme bereits alle gesehen habe und natürlich auch die Serie (hrhr) musste ich mich einfach auch mal den Buchvorlagen von Thomas Harris widmen. Eigentlich hatte ich keine sonderlich großen Erwartungen an Hannibal Rising und vielleicht hat genau das dafür gesorgt, dass es mich so gefangen und mitgerissen hat und das obwohl ich die Geschichte ja sogar schon kannte. Die Neuaufmachung des Heyne Verlags für die Taschenbücher gefällt mir für die Thematik recht gut. Die dunklen Töne in schwarz und rot wirken tatsächlich etwas wie Blut und der pergamentartige Einschnitt, auf dem sich die feinen Zeichnungen menschlicher Anatomie finden, beschreiben recht gut, was Hannibal ausmacht. Rundum gelungen für mich. Thomas Harris hat meiner Meinung nach ein Talent dafür seinen Charakteren Leben einzuhauchen. Es ist nicht nur Hannibal, mit dem man mitempfindet und den man plötzlich sogar zu verstehen sucht, sondern auch Nebencharaktere wie seine Tante oder der Inspektor der Polizei. Er schafft es gut die Männer, die Hannibal zu dem machten, was er ist, als Schweine zu charakterisieren und es ist schwer ihnen irgendwo einen Funken Gutes abzugewinnen, wenngleich sie eben nur zu überleben versuchen. Ebenso verhält es sich mit den Menschen im Internat, die zumindest mir gleich unsympathisch waren. Zugleich schafft er es, dass man Hannibals Taten nachempfinden kann und einen kleinen Einblick in den unglaublichen Geist dieses Charakters zu bekommen. Die Spannung zieht sich in einem gleichmäßigen Bogen durch die Geschichte. Ich hatte zwar an keiner Stelle wirklich das Gefühl, das Buch nun nicht mehr weglegen zu können, weil es zu spannend ist, doch wollte ich es auch nicht weglegen, weil mir die Handlung zu seicht plätscherte. Dafür hat Harris eine lebendige und wortgewandte Art Dinge zu beschreiben und seine Handlung voranzutreiben. Die wörtliche Rede wirkt passend und niemals aufgesetzt oder plump. Die Charaktere verstricken sich geradezu in philosophischen Ergüssen über das Leben und die Zukunft. Gerade diese Gespräche haben dafür gesorgt, dass ich mich unglaublich gut in die Gedankenwelt der Charaktere hineinversetzen konnte und ihre Handlungen tatsächlich nachvollziehen konnte. Entsprechend wirkt die ganze Geschichte und die Verwicklungen schlüssig und sie sind in einen guten Zusammenhang gestellt.

Insgesamt ist die Vorgeschichte Hannibal Lecters vielleicht kein Meisterwerk der Literatur, doch eine solide Geschichte, die sich gut und flüssig lesen lässt. Ein Muss für jeden Hannibal Fan und absolut zu empfehlen für Liebhaber von Thriller und Horror.

Aussehen: ♥♥♥♥
Charaktere: ♥♥♥♥
Spannung: ♥♥♥
Humor: ♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥
Originalität: ♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥