Rezension

Der Mörder ist immer der Gärtner?

Perfekte Freunde – Jeder hat Geheimnisse -

Perfekte Freunde – Jeder hat Geheimnisse
von André Winkler

Bewertet mit 5 Sternen

Mord im beschaulichen Kleingärtnermilieu! Rasanter, rätselhafter, mit vielen Überraschungen aufwartender Thriller mit fulminantem Ende. Tolle Lektüre!

Karl Daske, Kriminalhauptkommissar, den manche Leser bereits aus einem Vorgängerband kennen, ist frischgebackener Kleingärtner und, wie der erwartungsvolle Leser schnell feststellen wird, mit einem besonders auffälligen grünen Daumen gesegnet. Bereits nach drei Wochen hat er seine Parzelle in ein kleines Paradies verwandelt. Da sein neuer Status gefeiert werden muss, lädt er die unmittelbaren Nachbarn der Kleingartenkolonie zu einem Umtrunk ein, der rasch in ein kolossales Besäufnis ausartet und zu einer verhängnisvollen Gedächtnislücke bei Daske führt, die ihn alsbald in die Bredouille bringt. Da wird doch, während Daske besinnungslos in seiner Laube darniederliegt, voll des feinsten Ouzo und leider auch des gar nicht so feinen Aufgesetzten, der ebenso die Runde machte, wenige Meter entfernt Freund Effe ermordet, kaltblütig und mit einem von Daskes nagelneuen Steakmessern!

Klar, dass der wie vor den Kopf gestoßene 'Karlo' – so nennt ihn seine neue Freundin und Traumfrau Dagmar – zum Verdächtigen Nummer Eins mutiert! Ganz schlecht, denn seine ebenso neue Vorgesetzte und ganz und gar keine Traumfrau verbietet ihm jeglichen Versuch, die Ermittlungen zu führen, was der nun kaltgestellte Kommissar gar zu gerne getan hätte, schon allein, um sich von dem auf ihm ruhenden Verdacht des Mordes zu befreien. Aber – diejenigen, die den ersten Band der 'Karl Daske-Reihe' kennen, werden es ahnen – der eigenwillige Polizist lässt sich natürlich nichts verbieten! Er ermittelt einfach auf eigene Faust und wird dabei nicht nur von Tochter Isabell, einer Kriminaltechnikerin, sondern auch von seinem Freund, dem Gerichtsmedizinprofessor, wie auch einem willfährigen computeraffinen Kollegen unterstützt. Heimlich natürlich, was aber der gewitzten, mit strenger Hand regierenden Chefin nicht verborgen bleibt.

Differenzen, um es gelinde zu sagen, sind vorprogrammiert, geben der Geschichte allerdings auch einen der vielen Reize, die sie während des Lesens, aber auch noch nach abgeschlossener Lektüre auf mich ausübte. Sehr gespannt folgte ich den offiziellen, wie auch inoffiziellen Ermittlungen, die zwar immer einmal in Sackgassen führten, wie das meines Wissens der tatsächlichen Polizeiarbeit entspricht, aber ganz logisch und somit sehr nachvollziehbar voranschritten. Voraussehbar ist gar nichts an diesem sich zunächst gemächlich anlassenden, aber dann volle Fahrt aufnehmenden Thriller, der von Seite zu Seite mitreißender und, fast bis ganz zum Ende, mysteriöser wurde.

Nach dem Motto 'Der Mörder ist immer der Gärtner' schien es den Ermittlern, Daske eingeschlossen, plausibel, dass dies auch für den Mord an dem Griechen Effe galt, den Karl Daske, dessen Stärke ganz sicherlich nicht die der Menschenkenntnis ist, was sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht, gar als seinen Freund betrachtete. Manchmal, lieber Kommissar – aber das dürfte Dir längst selber klargeworden sein! -, ist es nicht von Schaden, hinter die gefällige, manchmal aber auch ungefällige Fassade eines Menschen zu blicken! Diese Lehre wurde Dir im Laufe Deiner, zugegebenermaßen sauber durchgeführten, denn Dein Handwerk verstehst Du wirklich meisterhaft, Ermittlungen mehr als nur einmal erteilt. Jetzt lerne was daraus!

Tja, die Tatverdächtigen! Allesamt ebenso leidenschaftliche Hobbygärtner wie unser Karl Daske. Oder doch nicht? Nun, alle können sie als Mörder des griechischen Restaurantbesitzers, dessen joviales Auftreten einen rechten Lumpen verbarg, in Frage kommen. Der 'Major', Besitzer der Kleingartenanlage und mit seinem autoritären Gehabe ebenso wenig ein Sympathieträger wie die reiche Frau Hasselberg, die ihre eigenen Pläne mit der Schrebergartenkolonie hat. Ein junges Ehepaar, das alternativ-harmlos wirkt, aber jede Menge Dreck am Stecken hat, und schließlich der bekennende homosexuelle Besitzer eines Blumenladens, dessen Neugierde und Indiskretion im alkoholisierten Zustand – der Alkoholkonsum der Kleingärtner ist schon auffällig! - ihm womöglich zum Verhängnis werden könnte. Ja sicher! Der Mörder ist der Gärtner! Kann gar nicht anders sein, immerhin hat das sogar Reinhard Mey dereinst besungen.

Aber – 'wait and see', wie das der Engländer sagt! Noch ist nicht aller Tage Abend – und der Autor zieht eine Überraschung nach der anderen aus seiner Wundertüte hervor. Das tut er gekonnt, geschmeidig, überzeugend, ohne Umschweife immer direkt zur Sache kommend und nicht selten mit einem Augenzwinkern. Seine Charaktere sind teilweise überzogen, erfüllen schon einige Klischees, was der Geschichte aber ihren zusätzlichen Pep verleiht. So richtig sympathisch sind nur wenige der handelnden Personen, was dazu beiträgt, dass sich das Mitgefühl des Lesers – zumindest meines – im Laufe all der nicht feinen, nicht ehrenwertem Verhalten entsprechenden Enthüllungen, die sich da auftun, in sehr überschaubaren Grenzen hält.

Nicht einmal Daske selbst ist ein Nur-Sympathieträger! Und genau das ist es, was ihn so glaubhaft macht. Er ist unbedacht, unvorsichtig, eigenmächtig und stur. Er stolpert, fällt hin, rappelt sich wieder auf, nur um sich sehenden Auges in die nächste Kalamität zu katapultieren. Und aus seinen Fehlern lernt er wenig bis gar nichts. Menschlich, allzu menschlich ist das – und daher gut, stimmig, überzeugend. Als begieriger, nimmermüder Leser von Kriminalromanen ist man der unfehlbaren Helden irgendwann einfach müde – und da kommt einer wie Daske wie gerufen! Bleibt zu hoffen, dass der Autor ihn noch weitere Fälle lösen lässt, ihn als Teil eines Teams, denn genaugenommen ist es in vorliegender Geschichte nicht der hartnäckige und ungehorsame Kommissar, dem die Lösung des verzwickten Falles plötzlich wie Schuppen von den Augen fällt, sondern der Gerichtsmediziner! Klug, unbestechlich, mit einem hervorragenden Gedächtnis gesegnet, Wissenschaftler halt. Und die sind bekanntermaßen die besten Detektive!

Absolute Leseempfehlung also! Der Autor beweist, dass ein solider deutscher Thriller wie der Seine seinen stereotypen amerikanischen Artgenossen um Längen voraus ist. Bravo, kann ich da nur sagen....