Rezension

"Der Wirklichkeit mangelt es oft an einer strengen Lektorin"

Die Nachbarn -

Die Nachbarn
von J.J. Voskuil

Bewertet mit 3 Sternen

... Zitat von Charles Lewinsky.

An diese Aussage musste ich bei der Lektüre von "Die Nachbarn" denken.

Das in diesem Buch beschriebene Nachbarschaftsverhältnis offenbart die Konsequenzen von nicht klar abgsteckten Grenzen und lässt Hilfsbereitschaft in Übertretungen, Gespräche in Doktrinen und Freizeitaktivitäten in Fluchten enden. Die erst nach dem Tod des Autors und des Nachbarn veröffentlichten Aufzeichnungen machen einen bruchstückhaften Eindruck mit offenem Ende, liebevoll im Klappentext als "Puzzlestücke" bezeichnet. Die Witwe des Autors kündigt die Beseitigung ihrer Bedenken zu Lebzeiten der beiden Protagonisten an und überlässt dem Leser großzügig intimste Einblicke auch in ihre ganz eigene Streitkultur und Meinung über Freundschaft und Homosexualität. Die Ereignisse scheinen also auf wahre Begebenheiten zu beruhen.

Aufhänger für die Fokussierung auf die neue Nachbarschaft ist nämlich die Homosexualität der beiden sehr unterschiedlichen Männer. Nicolien und Maarten reimen sich schon bald ihre Geschichte auf das neue Paar. Während Maarten nicht recht warm mit diesen einfach gestrickten Zugezogenen wird, entflammt Nicolien regelrecht für die vermeintlichen Underdogs und tut dies mit übertriebenen Gesten kund. Das wiederum beschwört Maartens Missmut hervor, doch sein ruhiges Gemüt lässt die Streitereien mit seiner Ehefrau in fruchtlosen Kreisen drehen.
Das Zusammenleben im Haus entpuppt sich mal als wunderbare Nachbarschaftshilfe und Unterstützung, dann aber zunehmend als Verpflichtung und Unterordnung. Doch Nicolien hat sich zu sehr in ihre Hilfsbreitschaft hineingesteigert, als dass sie sich diese lebensfüllende Aufgabe durch ein paar eigenartige Zwischenfälle kaputt machen lässt. Es ist Maarten, der als erster unter Peers Jähzorn zu leiden hat.

Das offene Ende unterstütz meinen Verdacht, dass die Puzzlestücke aus einer Art Tagebuch stammen und noch zu einer zusammenhängenden Geschichte hätten ausgebaut werden können. Es war ein interessanter und an manchen Stellen zu intimer Einblick in das Leben aller Beteiligten. Man darf aus dem Buch getrost ein paar wunderschöne Radausflugsziele in den Niederlanden mitnehmen und sich von kulinarischen Tipps inspirieren lassen.

Ich habe ein wenig den angekündigten Humor vermisst, die Verschrobenheiten dafür aber umso mehr genossen. Letztendlich waren aber die ergebnislosen Aktionen und Streitereien ziemlich unbefriedigend. Wohl ein Buch für Voskuil-Fans und/oder Amsterdam-Kenner.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 10. September 2023 um 08:49

EIn Nachlass-Roman? Ist Voskuil ein bekannter Autor? Ich habe noch niemals etwas von ihm gehört (was ja nix weiter aussagt).

Emswashed kommentierte am 10. September 2023 um 09:47

Eher gefunde Tagebücher, würde ich mal sagen. Voskuil ist bei den Niederländern wohl bekannter.