Rezension

Der Zirkus ist in der Stadt

Wasser für die Elefanten - Sara Gruen

Wasser für die Elefanten
von Sara Gruen

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

Jacob Jankowsky steht am Abgrund. Seine Eltern sind bei einem tragischen Autounfall gestorben und er erfährt, dass ihm nun nichts mehr gehört. Denn sein Vater ein passionierter Tierarzt hat zuletzt die Tiere für Naturalien behandelt, einfach weil seine Kunden kein Geld hatten. Die Wirtschaftskrise hat das Land stark gebeutelt.
Nun soll das Haus an die Bank gehen und Jacob ist perspektivlos und natürlich tief erschüttert.
Während seines Examens zum Tierarzt kann er sich auf nichts konzentrieren, also steht er auf und lässt sein leeres Blatt zurück. Wo er hin soll, das weiß er nicht, nur weg von hier, immer weiter gehen.

Er landet schließlich neben einer Eisenbahnstrecke und springt auf den nächstbesten Zug auf, nicht wissend dass er mitten in einem Zirkuszug gelandet ist.
Am ersten Tag macht er sich als Rausschmeißer, Stallausmister und hilft überall, wo Hilfe gebraucht wird. Am nächsten Tag jedoch geht es darum angestellt zu werden und dort kann er auftrumpfen und wird fortan der neue Tierarzt der Truppe.

Bald schon lernt er August, den Stallmeister kennen, ein charmanter Mensch, der jeden für sich einnehmen kann und nun Jacobs bester Freund zu sein scheint, bis zu dem Augenblick, an dem Jacob widerspricht. Denn da verpasst August ihn einen Denkzettel, der jemand anderen schon in der Vergangenheit den Arm gekostet hat.
August hat eine Persönlichkeitsstörung, die zu extremen Wutanfällen gegenüber Mensch oder Tier führt.
Von diesem Moment an weiß Jacob, dass irgendetwas mit August nicht stimmt und man ihn mit Vorsicht genießen muss, besonders wenn es um seine wunderschöne Frau Marlena geht.
Und obwohl Jacob sich schwört auf der Hut zu sein, kann er nichts dagegen tun, nach und nach verliebt er sich immer mehr in Marlena.

So schwer die Zeit auch ist, Jacob kann auch Freunde finden unter Arbeitern, wie Artisten, sehr ungewöhnlich, da zwischen diesen Gruppen ein riesiger Abgrund klafft.

Meine Meinung

Der Grund, warum ich dieser Geschichte so skeptisch gegenüberstand, war die kitschige Vermarktung in den Kinotrailern. Diese lassen uns ahnen, dass sich alles nur um eine schnulzige Liebesgeschichte dreht.
Das Buch jedoch erzählt eine andere Geschichte. Es ist die Geschichte von Jacob Jankowskys Leben.

Das Buch wird in zwei Ebenen erzählt. Zum einen haben wir den jungen Jacob, der am Abgrund steht, bis er sich ins Abenteuer stürzt, auf der anderen sitzt der alte 93 Jährige Jacob, der griesgrämig in einem Altersheim sitzt, befürchtet abzubauen, sich über das fürchterliche pürierte Essen beschwert und sich an seine Jugend erinnert, da der Zirkus gerade in der Stadt ist.

Ich persönlich bin ein absoluter Fan von Rückblicken, ob nun in Film, Serie oder Buch. Das Handeln auf mehreren Zeitebenen gibt uns viel mehr über eine Person preis. Und gibt uns eine kleine, traurige Andeutung vom Zahn der Zeit.

Die Figuren wurden meiner Meinung nach sehr gut dargestellt, man hat versucht auf gewisse Stereotypien zu verzichten, wobei das nicht immer möglich ist. Doch für einen Roman, der vom Zirkus handelt, hat man die Stereotypen doch recht klein gehalten.

Eine sehr wichtige und gut ausgefeilte Rolle ist auf jedenfall August, der Stallmeister mit der Persönlichkeitsstörung, der in einem Moment vor Freude strahlt und im nächsten wütend auf einen losgehen kann. Der sich an jedem rächt, der sich ihm widersetzt, ob Mensch oder Tier. Diese Person muss man einfach hassen.

Marlena dahingegen ist sein Ruhepool, doch auch sie vermag es nicht immer seine Ruhe wiederherzustellen.
Marlena ist eine wunderschöne Frau, eine begabte Artistin und vernarrt in ihre Pferde, die sie wie ihre Kinder behandelt. Sie ist sanft und freundlich, jedoch auch überaus naiv und ohne den Zirkus aufgeschmissen.
Denn ihr Elternhaus hat sie verstoßen, als sie es wagte einen Juden zu heiraten.

Jacob ist eine sehr unbekümmerte Person, man merkt jedoch, dass sich sein Wesen arg wandelt, als er zum Zirkus kommt. Er macht die größte Entwicklung durch. Er lernt vorsichtig zu sein und vorausschauend um sich selber zu schützen, jedoch bleibt sein großes Herz am rechten Fleck und er setzt sich für die Schwächeren ein, ob Mensch oder Tier.

Die Geschichte ist zum einen tragisch aber im anderen Moment auch magisch, wie eine Abenteuerroman, in der sich der Held in fremde Weiten erhebt.
Und wir haben hier vor allem eines nicht, einen kitschigen Liebesroman. Ja die Liebe spielt für Jacob eine große Rolle, doch dieses Thema nimmt nicht Überhand, läuft bis zum Schluss auch eher als Nebengeschichte und erhält erst im letzten Viertel an Bedeutung.
In der Zwischenzeit werden wir schon mit Spannung überhäuft, bangen mit, drücken die Daumen und hoffen.

Das Buch ist ehrlich, brutal und zeigt, dass ein Zirkus den Glanz eben nur nach außen trägt und innerhalb dieses auch düstere Seiten herrschen. Dabei werden Themen wie die Prohibition, die Wirtschaftskrise und der Klassenunterschied angesprochen.

Im Zirkus herrscht eine extreme Trennung von Arbeitern und Artisten und sollte das Geld einmal knapp sein, wegen der Krise, so gehen die Arbeiter als einzige leer aus. Sie essen und schlafen getrennt, Artisten erhalten Wasser zum Waschen, Arbeiter nicht. Dies alles geschieht frei nach dem Motto Arbeiter sind ersetzbar und das lässt diese sich fürchten.

Die Prohibition ist ein großes Thema, auch wenn der Zirkus reichlich mit Alkohol ausgestattet zu sein scheint, ist das Thema allgegenwärtig, zweimal kommt in dem Buch eine Alkoholrazzia vor.

Was also ist das Besondere an diesem Buch? Ich kann es gar nicht so genau sagen, weil es für mich mehr das Buch als Gasamtes war, das mich gefesselt hat. Wir haben hier einen sehr spannenden Abenteuerroman, der uns in fremde Gefilde führt, dabei jedoch nicht nur den Glanz zeigt, sondern auch die Schattenseiten. Und wir haben den netten Kerl, der dem fiesen das Mädchen raubt - immer wieder gern gesehen.
Bei mir ist es sehr wichtig, das ich bei einem Buch einen Draht zu mindestens einer Person bekomme, sonst kann ich nicht eintauchen und das Lesevergnügen bleibt sehr oberflächlich. Hier habe ich die Person mit Jacob sehr schnell gefunden, er musste nicht viel sagen, schon war die Verbindung da.

Fazit

Ein sehr gelungenes Buch, das mich gleich mitgenommen hat und bis zur letzten Seite nicht mehr losließ.
Neben der hervorragenden Abenteuergeschichte bekommen wir auch einen Blick in die damalige Zeit und das Zirkusleben insbesondere.