Rezension

Der Zustand der Straße muss immer berücksichtigt werden

Das Leben ist zu kurz für irgendwann -

Das Leben ist zu kurz für irgendwann
von Ciara Geraghty

Bewertet mit 3 Sternen

Terry möchte ihren dementen Vater im Pflegeheim „Sonnenschein“ besuchen und anschließend ihrer besten Freundin Iris einen Geburtstagskuchen vorbeibringen – sie weiß noch nicht, dass dieser Tag alles in ihrem Leben verändern wird.

Im Pflegeheim „Sonnenschein“ gibt es einen Schädlingsbefall, weswegen Terry kurzerhand entscheidet, dass sie ihren Vater vorübergehend bei sich zu Hause aufnimmt. Der Kammerjäger sollte in einer Woche mit seiner Arbeit fertig sein und dann kann Eugene wieder in seine gewohnte Umgebung zurück. Demenzpatienten vertragen es nicht so gut, wenn man sie aus ihrem Umfeld herausreißt.

Auf dem Weg nach Hause möchte Terry noch einen Überraschungsbesuch im Yoga-Zentrum machen, in dem ihre Freundin Iris zu ihrem 58. Geburtstag einen Yoga-Kurs gebucht hat. Bevor sie losfährt, ruft sie sicherheitshalber im Yoga-Zentrum an und erfährt, dass keine Anmeldung von einer Iris Armstong vorliegt und nie vorgelegen hat. Zu Hause ist Iris auch nicht anzutreffen. Terry vermutet, dass Iris etwas passiert sein muss und sie dringt mit dem Ersatzschlüssel ins Haus ein. Sie findet das Haus in allen Zimmern aufgeräumt und leer vor. In einem an sie adressierten Brief, den sie auf dem Laptop findet, erklärt Iris ihr, dass sie in die Schweiz reist, um dort die Möglichkeit der Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.

Iris hat Multiple Sklerose in einer aggressiven Form und sie möchte handeln, bevor sie selbst im späteren Verlauf ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, handeln zu können.

Auf dem Laptop findet Terry die Reisebuchung der Fähre von Dublin (Irland) nach Holyhead (Großbritannien) und glücklicherweise hat diese noch nicht abgelegt. Mit ihrem Vater im Auto rast sie nach Dublin zum Fähranleger um Iris zur Rede zu stellen und dazu zu bewegen, ihren Plan aufzugeben. Iris lässt sich jedoch nicht umstimmen und Terry lässt sich nicht abwimmeln ……. so beginnt die Reise von Terry, ihrem dementen Vater Eugene und ihrer kranken Freundin Iris, die sie gemeinsam bis nach Zürich in der Schweiz führt, wo Iris in einem dafür vorgesehenen Spital ihre Sterbehilfe gebucht hat.

Der Klappentext des Buches verrät schon die ganze Geschichte, von daher kann man sich als Leser voll und ganz auf die Geschehnisse einlassen und Iris, Terry und Eugene auf ihrer Reise begleiten. Das Buch wurde von Sibylle Schmidt übersetzt, es umfasst 384 Seiten, aufgeteilt in 34 Kapitel, die jeweils mit einer Fahrschul-Regel überschrieben sind, ein Tribut an Terrys Vater Eugene, der früher Taxi gefahren ist. Die Regel hat aber auch immer einen Bezug zum aktuellen Kapitel.

Es geht in diesem Buch gar nicht um Iris und ihre MS, sondern um Terry und ihre Erkenntnisse über ihr eigenes Leben. Auf der Reise mit ihrem dementen Vater und ihrer kranken Freundin erkennt sie, dass sie bisher nur funktioniert hat. Ihre Ehe mit Brendan, ihre beiden Töchter, ihr ganzes Leben folgt einem Plan, den sie selbst aufgestellt hat. Niemals wäre sie spontan verreist, weswegen die Tatsache, dass sie Hals über Kopf eine Autofahrt über 1.600 km antritt, am meisten sie selbst schockiert. Durch die anfänglichen Telefonate mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern bekommt sie ein schlechtes Gewissen – aber sie wird um nichts in der Welt ihre Freundin im Stich lassen, weswegen sie die Anrufe ihrer Familie mehr oder weniger ignoriert und beginnt, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen. Für sie ist es schon ein Meilenstein im Leben, dass sie auf einer Autobahn statt auf der Landstraße fährt und in einem ihr fremden Land auch noch auf der verkehrten Straßenseite. An solchen Dingen wächst Terry und in Zürich angekommen ist sie nicht mehr die Terry, die vor 4 Tagen in Dublin gestartet ist.

Iris ist eine toughe Frau. Sie hat Multiple Sklerose in einer aggressiven Form und bevor ihr die Krankheit ihre Handlungsfähigkeit raubt, möchte sie selbst ihrem Leben ein Ende setzen. Auch in Irland ist es nicht erlaubt Sterbehilfe zu leisten, weswegen sie sich einen Platz in einem Spital in der Schweiz gebucht hat, um dort zu sterben. Ihre Freundin Terry lässt sich jede Menge einfallen um sie von ihrem Plan abzuhalten, aber Iris ist fest entschlossen das durchzuziehen. Sie ist nicht begeistert davon, dass Terry sie begleitet, eigentlich findet sie das Verhalten ihrer Freundin mehr als übergriffig, aber da sie sich nicht abwimmeln lässt, nimmt Iris den Komfort an, den ihr die Reise im PKW bietet.

Eugene Keogh, Terrys dementer Vater, ist ungewollt und ungeplant in einen Road-Trip reingeraten, den seine Tochter mit ihrer Freundin macht. Bei seiner Figur bin ich sehr gespalten mit meiner Meinung. Auf der einen Seite muss ich schmunzeln bei seinen Geschichten, an die er sich erinnert, auf der anderen Seite finde ich es teilweise entwürdigend, was er auf der Reise alles über sich ergehen lassen muss. Ein Gutes hat die Sache jedoch, Terry kommt auch ihrem Vater wieder etwas näher. Sie kümmert sich um seine Körperpflege und muss rund um die Uhr auf ihn aufpassen, etwas, was ihr durch die Pflegekräfte im „Sonnenschein“ bisher abgenommen wurde.

Der Schreibstil der Autorin ist durchgehend angenehm zu lesen, die Geschichte wird aus der Sicht von Terry in der Ich-Form erzählt. Die Autorin hat hier gleich mehrere Themen miteinander verwoben: Demenz, Multiple Sklerose und Sterbehilfe. Wie würde man selbst an Iris‘ Stelle mit der Krankheit umgehen? Ich für meinen Teil habe Iris‘ Entscheidung als für zu früh empfunden, aber das ist subjektiv, denn ich leide nicht unter dieser Krankheit und kann ihre Gedanken somit nicht nachvollziehen. Gleichwohl kenne ich 2 Menschen mit MS, die beide an unterschiedlichen Stadien dieser Krankheit angekommen sind und keiner möchte bisher sein Leben beenden.

Die Geschichte hat mich an einigen Stellen nachdenklich werden lassen, an anderen Stellen empfand ich die Geschehnisse als deutlich zu überzogen. Der Schreibstil der Autorin ist durchgehend angenehm zu lesen, den Charakteren fehlt meiner Meinung nach aber etwas Tiefe, denn weder Iris noch Terry haben mich wirklich berühren können. Mr. Keogh, um den es aber eigentlich nur nebenbei ging, konnte mich da schon mehr ansprechen.

Auch wenn es in dieser Geschichte kein Happy End gibt, so gibt es doch die Erkenntnis, dass man sein Leben – auch (oder gerade) als Ehefrau und Mutter – nicht ausschließlich auf die Familie ausrichten soll, denn „Das Leben ist zu kurz für irgendwann“.